Zauber-Suche
»Stimmt, ich kann schon auf mich selbst aufpassen, aber du bist bloß ein Mensch. Komm!«
Bink kletterte auf den Rücken des Zentauren. Der Hausherr richtete gerade einen weiteren Fluch auf sie, als sie auch schon davonsprangen. Chester galoppierte die Halle entlang. Seine Hufe klangen durch die Schoner merkwürdig leise. Die Ungeheuer heulten auf und machten sich an die Verfolgung.
»Wo geht’s denn nach draußen?« rief Bink.
»Woher soll ich das wissen? Das ist Vogelschnabels Revier. Ich bin doch bloß ein ungebetener Gast der Strudelungeheuer.«
»Wir sind irgendwo im Obergeschoß«, sagte Bink. »Nur, daß es hier keine Treppen gibt. Wir könnten ein Fenster einschlagen und schwimmen –« Er griff in die Tasche und betastete die Flasche, in der sich Crombie, Grundy und der Magier befanden. Er nestelte in seiner Tasche, bis er die Flasche mit den Wasseratmungspillen gefunden hatte. Jetzt durften sie sich am allerwenigsten einen Fehler erlauben! »Es ist besser, wenn wir frische Pillen nehmen. Die zwei Stunden sind schon längst vorbei.«
Im Laufen schluckten sie ihre Pillen. Jetzt waren sie aufs Wasser vorbereitet – sofern sie es auch fanden. Für einen Augenblick hatten sie ihre Verfolger abgehängt. Mit einem Zentauren konnte es kein Mensch zu Fuß aufnehmen.
Da hatte Bink einen neuen Einfall. »Wir sollten nicht nach draußen fliehen, sondern nach unten. In die untere Region, wo die Quelle der Magie ist.«
»Ja, wovor sie uns Angst zu machen versuchten«, sagte Chester zustimmend. Er rammte die Vorderbeine ins Parkett und wirbelte so elegant um die eigene Achse, als wolle er explodierenden Granatäpfeln ausweichen. Dann trabte er den gleichen Weg wieder zurück, den sie gekommen waren.
»Halt!« schrie Bink. »Das ist doch der reinste Selbstmord! Wir wissen doch nicht einmal, wo sich der Eingang zum Strudel befindet!«
»Der Strudel muß sich im Mittelpunkt des Schlosses befinden. Eine Frage der architektonischen Statik«, sagte Chester. »Außerdem habe ich selbst einen sehr ausgeprägten Orientierungssinn. Ich weiß ungefähr, wo wir hin müssen. Und ich bin auch bereit, mir notfalls selbst einen Zugang zu schaffen.«
Sie kamen um eine Ecke – und stießen in die sie verfolgenden Strudelungeheuer. Nach allen Seiten stürzten Leute zu Boden – doch aus dem Gemenge fuhr ein gewaltiger Fluch empor und jagte hinter Chester her.
Bink, der nervös zurückblickte, erspähte ihn. »Chester, lauf!« schrie. »An deinem Schweif hängt ein Fluch!«
»An meinem Schweif?« rief Chester wütend und sprang vor. Bedrohungen seines häßlichen Gesichts begegnete er stets gelassen, aber sein schönes Hinterteil war ihm heilig.
Der Fluch verfolgte sein Ziel voller Entschiedenheit. »Dem können wir nicht entgehen«, sagte Bink. »Der haftet uns an.«
»Ich glaube, da vorne liegt der Strudel schon«, sagte Chester. »Festhalten – ich springe.«
Er sprang – direkt auf die hölzerne Schiebewand zu. Das Holz zerbrach unter seinen Vorderhufen, und gemeinsam stürzten sie in den Strudel hinein.
10
Die Juwelennymphe
Bink erwachte nackt und zerschunden, aber ihm war nicht kalt. Er lag am Ufer eines warmen, leuchtenden Sees. Hastig zog er die Füße aus dem Wasser, aus Furcht vor Raubfischen und anderem Getier.
Da hörte er ein Stöhnen. Unweit von ihm lag der Zentaur und hatte die Gliedmaßen in sechs Richtungen von sich gestreckt. Es war ein äußerst harter, heftiger Abstieg gewesen. Ohne die Wasseratmungsmagie wären sie mit Sicherheit ertrunken. Bink erhob sich mühsam und torkelte auf seinen Freund zu.
»Chester! Bist du –«
Er machte eine Pause. Zwischen ihnen erblickte er das Glitzern eines Sterns oder eines Edelsteins. Närrischerweise bückte er sich, um ihn aufzuheben. Er hatte doch gar keine Verwendung für solchen Tand! Doch er stellte sich als Glasscherbe heraus.
Chester stöhnte erneut und hob den Kopf. »Um einen Zentaur zu erledigen, muß man schon mehr aufbieten als einen simplen Strudel«, sagte er. »Aber vielleicht nicht allzu viel mehr …«
Bink trat neben ihn und versuchte, seinem Freund beim Aufstehen behilflich zu sein. »He, willst du mich schneiden?« fragte Chester.
»Oh, Entschuldigung! Ich habe dieses Stück –« Bink zögerte und blickte es erneut an. »Irgendwas ist da drin! Das ist –«
Chester erhob sich. »Laß mal sehen.« Er beugte sich vor, um die Scherbe entgegenzunehmen. Dann weiteten sich seine Augen erstaunt. »Das ist ja Humfrey!«
»Was?«
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