Zauber-Suche
können.
Verzweifelt öffnete Humfrey Flasche um Flasche. Drei tanzende Feen erschienen und schwebten mit ihren durchsichtigen, pastellgetönten Schwingen umher. Doch die waren harmlos und flogen schon kurz darauf zu Juwel hinüber, die ihnen auftrug, die verstreuten Edelsteine wieder einzusammeln. Ein Päckchen Hustenbonbons materialisierte, platzte aber viel zu nahe neben dem Magier, der sofort einen Hustenanfall bekam. Doch da erschien ein Flügeldrache.
Flügeldrachen waren zwar klein, aber selbst der kleinste Drache war immer noch gefährlich. Bink sprang auf ihn zu und wollte seinen Hals treffen. Das gelang ihm auch – doch die harten Schuppen des Ungeheuers ließen sein Schwert abgleiten. Der Drache sperrte das Maul auf und stieß Bink einen heißen Dampfstrahl ins Gesicht. Bink wich tänzelnd zurück – dann sprang er vor und rammte dem Drachen mit aller Gewalt sein Schwert in den Rachen. Die Klinge durchbohrte den Gaumen des Ungeheuers und durchstieß ihm das Gehirn. Mit einem Schmerzensbrüllen sackte der Drache zusammen, und Bink zog sein Schwert wieder heraus.
Bink wußte, daß er Glück gehabt hatte – und das war echtes Glück gewesen, nicht sein aktiviertes Talent. Das Problem bei solchem Glück war allerdings, daß es keine Günstlinge kannte. Das nächste Mal konnte es auf der Seite des Gegners sein. Er mußte die Sache zu Ende bringen, bevor es wieder dazu kam.
Doch inzwischen hatte der Magier wieder in seiner Flaschensammlung gestöbert. Er suchte offensichtlich irgend etwas Bestimmtes, hatte aber Schwierigkeiten, es in dem Durcheinander zu finden. Doch jede Schlappe verringerte die Zahl der möglichen Flaschen und erhöhte seine Erfolgschancen. Als Bink sich wieder Humfrey zuwandte, erschienen gerade ein Satz langer Winterunterwäsche, eine Anzahl zerlesener Comicbücher, eine hölzerne Treppenleiter, eine Stinkbombe und ein Schock magischer Schreibfedern. Bink mußte laut lachen.
»Bink – paß auf!« rief Chester.
»Das ist doch nur ein Abendkleid«, sagte Bink, nachdem er einen kurzen Blick auf den nächsten Gegenstand geworfen hatte. »Das tut nicht weh.«
»Aber dahinter verbirgt sich ein Böser Blick!« schrie Chester.
Oh! Das hatte Humfrey also gesucht! Bink packte das Abendkleid und benutzte es als Schild gegen die tödliche Gefahr.
Ein Lichtstrahl schoß hervor, an Bink vorbei – und erwischte den Zentauren. Halb betäubt geriet Chester ins Torkeln – da stürzte sich der Greif zum tödlichen Angriff auf ihn. Mit seinem Schnabel versuchte er, auf Chesters geblendete Augen einzuhacken, so daß der Zentaur ihm rückwärts ausweichen mußte.
»Nein!« schrie Bink verzweifelt.
Doch es war wieder einmal zu spät. Bink begriff plötzlich, daß er sich wohl viel zu lange auf sein Talent verlassen hatte, so daß er auf spontane Zufälle viel zu träge reagierte. Chesters Hinterhufe rutschten an der Uferkante ab, und mit einem entsetzten Wiehern stürzte der Zentaur rücklings in das schlimme Wasser des Sees.
Die schlammigen Fluten schlossen sich über Chesters Kopf, und der Zentaur verschwand lautlos. Bink hatte seinen Freund und Verbündeten verloren.
Doch für Trauer hatte er jetzt keine Zeit. Humfrey hatte eine weitere Flasche entdeckt. »Jetzt habe ich dich, Bink! In dieser ist ein Schlaftrunk!« rief er und hielt sie hoch.
Bink wagte es nicht, ihn anzugreifen, weil das Auge des Bösen Blicks immer noch zwischen ihnen schwebte, von Binks schwachem Stoffschild abgehalten. Er konnte die Umrisse des Auges unscharf durch den schleierähnlichen Stoff erkennen und mußte sich ständig hin und her bewegen, um jeden Blickkontakt zu vermeiden. Doch dieser Schlaftrunk ließ sich nicht mit einem bißchen Stoff abwehren!
»Bink, gib auf!« rief Humfrey. »Dein Verbündeter ist fort, und meiner schwebt hinter dir, das Auge hält dich in Schach, und der Schlaftrunk kann dich dort, wo du stehst, treffen. Gib auf, dann wird die Koralle dir dein Leben schenken!«
Bink zögerte – und spürte den Luftstrom von Crombies flatternden Schwingen hinter sich. Er fuhr herum, erblickte die vor Angst völlig starr dastehende Nymphe und erkannte blitzartig, daß die Koralle ihr humanes Versprechen noch im gleichen Augenblick gebrochen hatte, als Humfrey es aussprach.
Bis jetzt hatte Bink einen notwendigen, wenn auch ungewollten Kampf gekämpft. Doch nun packte ihn mit einem Schlag die Wut. Sein Freund war tot, ihn selbst hatte man verraten – warum sollte er jetzt noch Gnade walten lassen?
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