Zauber-Suche
»Würdest du mir diesen Ort nennen?«
Wieder ein cherubisches Lächeln. Bink spürte, wie sein Herz klopfte. Er merkte, daß sich der Magier mit äußerster Vorsicht dem Thema näherte. Der Spiegel faßte jede Frage wörtlich auf und bot von sich aus keinerlei Informationen an. Dieses umständliche Vorgehen sorgte dafür, daß der Spiegel nicht von einer allzu plötzlichen Herausforderung überfordert wurde.
»Bitte zeige uns diesen Ort in deinem Spiegel.«
Der Spiegel wurde schwarz.
»Huch!« sagte Bink. »Ist er kaputt?«
Der Spiegel erhellte sich, und ein weinender Säugling erschien.
»Er sagt nein«, fauchte Humfrey. »Seid bitte so freundlich, mir zu gestatten, meine Untersuchung fortzusetzen.« Er wandte sich wieder dem Spiegel zu. »Zeigst du mir einen Ort unter der Erde?«
Der Säugling lächelte.
»Das heißt also, daß du bestätigst, daß die Quelle der Magie sich nicht in diesem Dorf befindet, in dem wir uns gegenwärtig aufhalten?«
Nun erschien ein Fragezeichen auf der Spiegelfläche.
»Willst du mir sagen, daß sich die Quelle der Magie doch in diesem Dorf befindet?« fragte der Gute Magier in scharfem Tonfall.
Wieder erschien das Fragezeichen. »Hm, eine Frage der Entscheidung«, brummte Humfrey. »Der Spiegel kann nicht zwischen mehreren Wahrheiten auswählen. Weiß jemand einen anderen Ansatz?«
»Das ist eine Frage der Perspektive«, meinte Chester. »Wenn der magische Staub die Quelle sein sollte, dann ist es möglich, daß es mehr als nur ein Vorkommen davon gibt. Wahrscheinlicher handelt es sich um einen Kanal, der aus den Tiefen emporführt. Man kann die Quelle auf verschiedenste Weise definieren, je nachdem, ob man dabei an die Quelle an der Oberfläche denkt oder an die Quelle der Quelle.«
»Hm, das ist mal ein Wesen mit einem disziplinierten Verstand«, lobte Humfrey. »Wenn er ihn nur etwas öfter disziplinieren würde, anstatt sich dauernd mit dem Soldaten zu streiten.« Er blickte den Spiegel an. »Stimmt die Analyse des Zentauren?«
Der Säugling lächelte.
»So«, fuhr der Magier fort. »Weißt du um die Absichten dieser Dorfbewohnerinnen?« Als er als Antwort wieder ein Lächeln erhielt, fragte er: »Wollen sie uns Gutes?« Ein bejahendes Lächeln. Bink war erleichtert. »Und hat Trolla die Wahrheit über den Fluch der Sirene gesagt?« Wieder ein Lächeln.
Humfrey blickte auf. »Jetzt wird’s schwierig«, sagte er, offenbar zufrieden. Bink begriff, daß auch dieser Mann es genießen konnte, herausgefordert zu werden. »Bisher haben wir uns bloß bestätigen lassen, was wir bereits wußten. Jetzt begeben wir uns in unbekanntes Gebiet.« Er drehte sich wieder zu dem Spiegel um. »Kannst du uns sagen, wie wir mit dem Problem der Dörflerinnen umgehen sollen?«
Der Cherub lächelte. »Ungewöhnlich gesprächig«, bemerkte Humfrey zu den anderen. »Die Magieverstärkung hier erhöht die Kraft des Spiegels tatsächlich. Jetzt haben wir ein Untersuchungsinstrument erster und nicht mehr bloß zweiter Ordnung zur Verfügung.« Dann wandte er sich wieder dem Spiegel zu. »Wie –«
»Seid ihr Männer fertig?« fragte Trolla, die plötzlich in der Tür stand.
Sie zuckten zusammen. Bink wollte ihr die Lage erklären, als er Humfreys schnelles Kopfschütteln bemerkte. Der Spiegel war verschwunden. Der Gute Magier wollte den Dörflerinnen nicht das Geheimnis seiner Magie verraten, zumindest jetzt noch nicht.
Na ja, immerhin hatten sie bereits eine Menge in Erfahrung gebracht und konnten den Spiegel bei passenderer Gelegenheit immer noch befragen. »Das ist aber ein hübsches Kleid«, sagte Bink zu Trolla. Das war nicht gelogen: Das Kleid war wirklich sehr hübsch, auch wenn sie ein weiblicher Troll blieb. Sie folgten ihr aus dem Gebäude.
Der Mittelplatz des Dorfes war mit unmagischen Mitteln verwandelt worden. Ein echtes Holzfeuer loderte dort, und am Himmel waren bereits die Sterne zu erkennen. Es sah fast so aus, als ob die emporsteigenden Feuerfunken am Himmel zu Sternen wurden. Vielleicht war dem ja sogar so, dachte Bink, bewirkt durch die starke Magie an diesem Ort. Irgendwie mußten die Sterne schließlich nach oben kommen.
Die Dorfbewohnerinnen sahen hübsch aus in ihrer Festkleidung. Es waren wesentlich mehr Jüngere da, als es am Anfang den Anschein gehabt hatte, und nun, da ihre Arbeit beendet war, waren sie mehr als nur begierig, sich unter die fremden Gäste zu mischen. Bink war von Nymphen, Elfen und Mädchen umringt, während Humfrey von Feen, älteren Elfen
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