Zauberflötenrache: Meranas dritter Fall (German Edition)
von der Tafel wieder zu seinen Leuten, blieb aber im Raum stehen.
»Was wissen
wir von der toten Frau bisher?«
Otmar Braunberger
war bereits seit sechs Uhr im Haus, zwei Stunden vor dem offiziellen Dienstbeginn.
Er fasste das Ergebnis seiner Recherchen zusammen.
»Emina Saric,
22 Jahre alt, geboren in Bielefeld. Bosnischer Herkunft. Mutter Sabina Saric, vor
zwei Jahren gestorben. Vater unbekannt. Emina hat nach der Schule einen Kurs für
Marketing und Öffentlichkeitsarbeit belegt und sich vor zehn Monaten um eine Stelle
in der PR-Abteilung der neu gegründeten Deutschland-Geschäftsstelle von MAS, Moda
Alberina Sabarella, beworben, die sie auch aufgrund ihrer Sprachkenntnisse bekommen
hat. Letzteres weiß ich von Hannelore Dummler, auf die ich im Internet gestoßen
bin. Sie hat den Kurs geleitet und war mit der jungen Bosnierin auch noch danach
eine Zeit lang in Kontakt. Frau Dummler beschrieb in ihrem breiten, sehr sympathischen
westfälischen Dialekt Emina als intelligentes, begabtes, liebenswertes Mädchen,
an das aber aufgrund ihrer Verschlossenheit schwer ranzukommen war. Das mag auch
daran gelegen haben, dass die junge Frau kurz vor Kursbeginn ihre Mutter verloren
hatte. Emina hat dennoch die Ausbildung als Klassenbeste abgeschlossen.«
»Danke,
Otmar. Wie immer perfekte Arbeit in kurzer Zeit.«
Auch die
anderen im Raum nickten anerkennend. Merana erhob sich wieder, ging erneut an die
Tafel.
»Es gibt
eine inhaltliche und eine räumlich-zeitliche Verbindung. Beide waren im Umfeld der
Salzburger Festspiele tätig. Anabella Todorova als gefeierte Sängerin, Emina Saric
als Mitarbeiterin einer Festspiel-Sponsorfirma. Beide waren zur selben Zeit am selben
Ort. Am Samstagabend bei der Premiere der Zauberflöte im Großen Festspielhaus. Die
Todorova als Darstellerin der Königin der Nacht, die junge Bosnierin als Betreuerin
eines Mädchens, das durch den Gewinn eines Wettbewerbs zur Zauberflöte durfte.«
Er nahm
einen Stift und zog auf der Tafel eine dicke Linie vom Namen der jungen Frau zum
Namen der Sängerin.
»Wir müssen
herausfinden, ob die beiden einander getroffen oder wenigstens gesehen haben. Gibt
es Zeugen dafür? Gibt es noch weitere Verbindungen von Emina Saric zu anderen Künstlern
der Zauberflöten-Produktion?«
Er zog einige
Striche vom Namen der Toten weg und versah sie jeweils mit einem Fragezeichen.
»Waren noch
andere Meet-and-Greet-Aktionen geplant? Hatten solche vielleicht schon stattgefunden?
Mit den Darstellern von Tamino, Pamina, Sarastro, Papageno und so weiter. Was hatte
die junge Frau mit ihrem zu betreuenden Schützling in Salzburg alles unternommen?
Das gilt es so schnell wie möglich zu eruieren.
Eine zweite
Gruppe soll sich um das berufliche und private Umfeld kümmern.
Was sagen
die Kollegen der Modefirma über Emina Saric? Was lässt sich über ihre Vergangenheit
ermitteln?«
Er legte
den Stift beiseite. »Noch Fragen?« Es kamen keine. Er spürte die Anspannung im Raum.
Jeder war gewillt, so schnell wie möglich seinen Beitrag dazu zu leisten, all diese
Fragen zu beantworten und das Rätsel zu lösen. Das war ihre Aufgabe, deswegen waren
sie Polizisten geworden. Sie wollten, dass die junge Frau, deren zerschundenes Gesicht
und gebrochener Blick auf den Bildern der Ermittlungstafel ihres Besprechungszimmers
zu sehen waren, endlich Ruhe fand. Genauso wie sie dies für die tote Sängerin wünschten.
»Dann an
die Arbeit!«
Als Merana wieder in seinem Büro
saß, dachte er an die vorhin skizzierten Fragezeichen. Anabella Todorova hatte durch
die gemeinsame Zauberflötenproduktion in jedem Fall mit den anderen Sängern zu tun
gehabt, Emina Saric nur vielleicht. Er musste mehr über die anderen Künstler wissen.
Er wählte die Handynummer von Jutta Ploch.
»Guten Morgen,
Martin. Nett, dass du anrufst. Du willst mir sicher alles über das tote Mädchen
im Wald erzählen, welche Verbindung es zur gefeierten Operndiva gibt, und wer hinter
beiden Verbrechen steckt. Nur zu, ich bin ganz Ohr.«
Das mochte
er an Jutta Ploch. Nicht lange herumfackeln, immer gleich hineinspringen, mitten
ins Geschehen.
»Hier ist
nicht die Abteilung ›Wunder werden wahr‹, hier ist die Betreuungsstelle für schwer
arbeitende Polizisten, die mühsam Puzzleteil für Puzzleteil zusammentragen müssen,
um vielleicht irgendwann ein halbwegs klares Bild zu erkennen.«
»Auch gut,
Herr Kommissar. Ich bin vorerst auch mit Puzzleteilen zufrieden, wenn sie ergiebig
sind.«
»Ich möchte
eher
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