Zauberflötenrache: Meranas dritter Fall (German Edition)
schüttelte
die junge Frau den Kopf. »Davon weiß ich nichts.«
Die nächste
Frage stellte Merana eindringlich.
»Kerstin,
hat Ihnen Emina vom Samstagabend erzählt? Zum Beispiel von der PR-Aktion hinter
der Bühne?«
Sie verneinte.
»Vielleicht weiß Flora mehr. Die war ja dabei.« Die würde er sich morgen vorknöpfen.
Für heute hatte die junge Deutsche sich entschuldigen lassen. Sie fühle sich krank.
Der Schock war zu viel.
»Wann haben
Sie Emina zuletzt gesehen?«
»Am Sonntagnachmittag.
Während der Pause von der Aida-Probe. Danach bin ich ja gleich nach München gefahren.«
»Und hat
Emina dabei Ihnen gegenüber irgend eine Bemerkung fallen lassen? Etwas angedeutet,
das mit der Zauberflötenpremiere oder mit dem Tod von Anabella Todorova zu tun hatte?«
»Nein.«
Ihre Augen füllte sich wieder mit Tränen. Sie griff mechanisch nach dem Kaffeeglas
und nahm einen Schluck. Der Latte macchiato war längst kalt. Dennoch trank sie ihn
aus. Sie warteten, bis die junge Frau sich wieder gefasst hatte. Dann brachte Carola
sie hinaus. Merana blieb auf dem Stuhl sitzen. Sein Blick wanderte zum Fenster.
Draußen war es stockdunkel. Regentropfen fielen gegen die Scheiben und bildeten
kleine Bäche, die nach unten rannen. Warum hast du dich niemandem anvertraut? fragte
Merana. Was hast du gesehen? Wieder schmerzte es ihn, dass er sie nicht bei ihrer
ersten und einzigen Begegnung zum Reden gebracht hatte. Gegen 21 Uhr lenkte er sein
Auto vom Parkplatz der Bundespolizeidirektion zur Alpenstraße und machte sich auf
den Weg nach Hause. Unterwegs rief er Andrea an.
»Heute geht
es leider nicht. Ich habe Nachtdienst.« Ihre Stimme kam ihm anders vor als sonst.
Weniger vertraut. Entfernter. Vielleicht waren auch Kollegen in der Nähe.
»Vielleicht
morgen.«
»Dann wünsche
ich Ihnen einen angenehmen Dienst, Andrea. Hoffentlich passiert nicht allzu viel.«
»Das hoffe
ich auch. Gute Nacht.«
Er ließ
den Klang ihrer Stimme in sich nachhallen. War etwas geschehen? Vielleicht sah er
auch nur Gespenster, wo keine waren. Es hatte sich zu viel ereignet in den vergangenen
Tagen.
Donnerstag, 30. Juli, 7.30 Uhr
Die Pressechefin erwischte ihn am
Handy, als er gerade in sein Auto stieg.
»Guten Morgen,
Herr Kommissar.«
»Frau Doktor
Braga. Was kann ich für Sie tun?«
»Wie geht
es Ihrer Großmutter?«
»Immer noch
gut. Ich habe gestern Abend mit ihr telefoniert, da fühlte sie sich prächtig.«
»Würde sich
Ihre Großmutter über eine Einladung zur Zauberflöte freuen? Wir hoffen doch alle,
dass heute Abend keine Zwischenfälle passieren. Dann hätten wir endlich eine vollständige
Premiere.«
Er wusste
nicht recht, was er darauf sagen sollte. Natürlich würde sich die Großmutter freuen.
»Ja, haben
Sie denn noch Karten?«
Er glaubte
an ihrer Stimme zu erkennen, dass sie lächelte. »Für ganz spezielle Gäste haben
wir immer Karten. Dann freue ich mich, Sie und Ihre Frau Großmutter heute Abend
in der Intendantenloge zu begrüßen.«
Er bedankte
sich herzlich. Konnte er sich das leisten, mitten in einer Morduntersuchung? Sich
in eine Opernaufführung setzen? Egal. Der Großmutter würde es gut tun. Und ihm auch.
Er rief sie gleich an.
»Das ist
eine ganz große Freude, Martin. Ich danke dir recht schön. Du musst mich auch nicht
abholen. Die Vanessa fährt heute am frühen Nachmittag nach Salzburg. Die kann mich
mitnehmen.«
Vanessa
war die Enkelin von Anni Lassinger, einer Nachbarin der Großmutter.
»Ruf mich
bitte an, wenn ihr in Salzburg seid.«
Flora Stullermann konnte kaum aus
ihren Augen schauen, als sie nach heftigem Klopfen die Tür ihres Hotelzimmers einen
Spalt öffnete.
»Was wollen
Sie hier? Es ist mitten in der Nacht!«
»Mit Ihnen
reden.«
Sie riss
den Mund zu einem breiten Gähnen auf. »Kommen Sie bitte später wieder, ich bin affenmüde.«
»Nein, wir
reden jetzt.« Merana drückte sachte, aber mit Bestimmtheit die Türe auf. Sie trug
eine kurzes blaues T-Shirt, das ihr bis zum Nabel reichte, und ein Höschen. »Ziehen
Sie sich etwas über. Ich komme jetzt rein.« Er fasste sie an den Schultern und schob
sie ins Zimmer. An der halb geöffneten Badezimmertür blieb er stehen, langte nach
dem Bademantel und warf ihn dem Mädchen zu. Das Zimmer vermittelte den Eindruck,
als wäre eine Horde von Piraten darüber hergefallen. Mitten im Raum bemerkte er
einen weit geöffneten Koffer. Er sah überall Kleidungsstücke herumliegen. Eilig
hingeworfene Schuhe verteilten sich über das gesamte
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