zauberhafte Tierhandlung 1
seine Gesichtszüge behutsam mit dem Finger nach.
»Schau genauer hin, Lotte«, drängte ihr Onkel sie.
Lotte sah das Foto mit zusammengekniffenen Augen an, und endlich erkannte sie etwas im Hintergrund. »Aber … das ist ja hier. Mein Dad ist hier«, murmelte sie perplex. Sie hob den Blick, um ihren Onkel anzusehen, dann die anderen. Sie beobachteten sie alle. Lotte blätterte noch ein paar Seiten weiter und starrte schließlich wieder Onkel Jack an. »Und das bin ich.«
Ihr Onkel nickte.
»Ich war schon mal hier?«
»Lotte«, sagte ihr Onkel sanft, »Lotte, du hast hier gelebt.«
Lotte lag auf ihrem Bett in dem rosa und weiß eingerichteten Zimmer, das ihr so sonderbar vertraut erschienen war. Von den Geheimnissen, die ans Licht gekommen waren, tat ihr beinah der Kopf weh. Onkel Jack hatte ihr erlaubt, das Album mit nach oben zu nehmen, und sie musterte begierig die Bilder, auf denen sie selbst und ihre Mum und ihr Dad hier im Laden zu sehen waren.
Es gab auch welche von Lotte und Danny und welche von ihr mit Simona, Dannys Mum. Lotte versuchte sich mit aller Macht an die Momente aus den Bildern zu erinnern, weil sie alle so glücklich aussahen, aber es gelang ihr nicht. Es fühlte sich so unfair an.
Eigentlich, erkannte Lotte, als sie die Fotos noch einmal betrachtete, sah ihre Mum überhaupt nicht glücklich aus. Sie wirkte fehl am Platz, irgendwie einsam. Als sei sie in etwas nicht eingeweiht gewesen.
»Wir haben es versucht, Lotte«, hatte Onkel Jack ihr erklärt, und ihm war anzumerken, wie schwer ihm das fiel. »Deine Mum ist ein wunderbarer Mensch, und wir hatten sie alle sehr lieb. Aber sie war einfach nicht glücklich hier. Sie konnte es nicht sehen, erkannte nicht, was wirklich vor sich ging, und das machte die Dinge sehr schwer für sie. Für deinen Dad war es auch schwer, weil er sie so liebte, aber gleichzeitig sein halbes Leben vor ihr verbergen musste.«
»Aber warum konnte sie es nicht sehen?«, fragte Lotte ratlos.
»Manche Menschen können es einfach nicht«, warf Ariadne behutsam ein. »Manchmal liegt es daran, dass sie es nicht wollen. Oder dass sie einfach zu viele andere Dinge beschäftigen.«
»Nachdem dein Vater gestorben war, hielt deine Mutter nichts mehr hier. Wir hätten sie nur zu gern bei uns behalten, aber sie hatte sich in Netherbridge nie richtig eingelebt.« Onkel Jack seufzte. »Ich habe mich deswegen immer schuldig gefühlt. Deshalb war ich auch so froh, als sie anrief.« Er lächelte Lotte an. »Und ich war ausgesprochen neugierig auf dich. Du siehst genauso aus wie er. Du weißt schon, wie Tom, dein Dad.«
Jetzt, da sie die Fotos anstarrte, erkannte Lotte, dass er recht gehabt hatte. Sie hatte bisher nur wenige Fotos von ihrem Vater gesehen. Es war, als habe ihre Mum versucht, diesen Teil ihres Lebens zu vergessen. Aber Lotte wollte das nicht. Sie konnte nicht anders, als darüber nachzudenken, ob sie ihrem Dad auch auf andere Weise glich, da sie ihm doch so ähnlich sah.
Hatte sie die Zauberkräfte geerbt?
Lottes Zimmertür quietschte, und sie schreckte hoch. Tabitha schob sich zögernd in den Raum und hielt inne, eine Pfote in der Luft schwebend, als sei sie sich nicht sicher, ob sie willkommen sei.
»Hallo, Tabitha.« Lotte machte Kussgeräusche und klopfte auf die Bettdecke, und Tabitha sprang zu ihr aufs Bett, rollte sich flugs zwischen Lotte und dem Fotoalbum zusammen und stieß es entschlossen mit der Nase zu.
»Ja, ich weiß. Du hast wahrscheinlich recht.« Lotte seufzte. »Ich starre die Fotos schon viel zu lange an.« Sie sah in Tabithas grüne Augen und spürte, wie sie etwas ruhiger wurde. »Ich wünschte, du könntest sprechen«, sagte sie leise. »Ich weiß, Shadow hat gesagt, das würdest du, wenn du so weit wärst. Es ist nur, dass ich das Gefühl habe, du verstehst mich vielleicht. Dieses ganze Magieding hat uns beide kalt erwischt. Es wäre wirklich schön, mit jemandem darüber reden zu können.«
Tabitha leckte tröstend Lottes Kinn.
»Ich weiß, es ist nicht das gleiche, aber du könntest mit mir reden«, erklang da eine Stimme.
Dieses Mal fiel Lotte vor Schreck fast vom Bett. Ariadne saß auf dem Fensterbrett, in den Händen hielt sie zwei der pinken Mäuse, die inzwischen mehr Zeit in Lottes Zimmer als in ihrem Käfig zu verbringen schienen.
»Wie hast du das gemacht?«, krächzte Lotte und fragte sich einen schrecklichen Moment lang, ob Ariadne sich in eine Fledermaus verwandeln und durch das Fenster hineinfliegen konnte. Oder waren
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