zauberhafte Tierhandlung 1
erzählen, was sie gerade machte.
Aber abgesehen von dem Spiegel war das Einzige, das annähernd magisch aussah, eine hochmoderne Kaffeemaschine. Lotte lächelte Ariadne schüchtern an. »Du solltest Sofie mal einladen«, schlug sie vor und war froh, etwas zu haben, worüber sie reden konnte.
Ariadne grinste zurück. »Die meisten Menschen wissen einfach nicht zu schätzen, wie magisch Kaffee ist.« Sie klang, als meine sie das todernst, aber Lotte war sich da nicht ganz sicher.
Zu ihrer großen Enttäuschung sagte Ariadne keine langen, komplizierten Zaubersprüche auf. Sie zog noch nicht einmal einen Schutzkreis um sie. Die meisten Webseiten, die Lotte auf Onkel Jacks Computer aufgerufen hatte, hatten das als unverzichtbaren, ersten Schritt vorgeschlagen. Das Einzige, was sie machte, war eine langweilige weiße Kerze anzuzünden (die aus einer Schachtel kam, die sie unter dem Spülbecken neben der Küchenrolle aufbewahrte) und sie mithilfe von ein paar Wachstropfen in einem Kerzenhalter zu befestigen. Tabitha und Shadow sprangen auf den Tisch und setzten sich zu Ariadne. Dann starrten sie alle die Kerze an. Eine furchtbar lange Zeit.
Lotte war nicht sicher, was sie sehen sollte, und nach einer Weile sagte sie das auch.
»Ich weiß es nicht«, gab Ariadne zu. »Diese Dinge sind für jeden anders. Um ehrlich zu sein, man braucht eigentlich gar keine Kerze, aber manchmal hilft es, wenn man etwas zum Angucken hat. Es fällt dann leichter, alle störenden Gedanken wegzuschieben.«
Zehn Minuten später blies Ariadne die Kerze aus, und Lotte seufzte halb erleichtert, halb enttäuscht.
»Keine Bange. Es dauert vielleicht eine Weile, bis du den Dreh raus hast«, sagte Ariadne, die ihr Mut machen wollte, aber Lotte fühlte sich dadurch nicht getröstet. »Es war nicht so, wie du erwartet hattest, oder?«, fragte Ariadne. In ihrer Stimme schwangen Verständnis und leichte Belustigung mit, und Lotte kam sich ziemlich dumm vor.
»Ich weiß nicht, was ich erwartet hatte«, murmelte sie. Dann zuckte sie mit den Achseln. »Ich weiß noch nicht mal, was du tust! Du bist eine Hexe, aber was bedeutet das? Was machst du eigentlich den ganzen Tag?«
»Kaffee trinken«, brummte Shadow, streckte seine Pfoten aus und gähnte.
Ariadne kraulte ihn unterm Kinn. »Die Leute bitten mich, Dinge zu tun, Lotte. Meistens versuche ich sie zu überzeugen, dass das, was sie tun wollen, nicht das ist, was sie wirklich wollen, oder wenn es das doch ist, sie es nicht tun sollten … Ich schätze, am einfachsten ließe es sich damit beschreiben, dass ich den Leuten helfe, das Richtige zu tun – und das kann manchmal ganz schön kompliziert sein.«
»Tust du manchmal Dinge …« Lotte war nicht sicher, wie sie es sagen sollte, aber sie konnte nicht aufhören, an diesen Spiegel zu denken und Schneewittchens böse Stiefmutter.
Shadow gluckste, ein tief aus der Kehle kommendes Glucksen, seine milchigen Augen auf Lotte gerichtet. »Sie will wissen, ob wir uns in Schwarzer Magie versuchen.«
Lotte nickte mit klopfendem Herzen.
Ariadne stand auf und begann an der Kaffeemaschine zu hantieren. Sie goss etwas Milch nach, stellte die Auswahltasten und Knöpfe neu ein. Aber Lotte konnte ihr Gesicht sehen, das sich in der glänzenden silbernen Oberfläche spiegelte, die Stirn gerunzelt und ernst.
Shadows verschleierter Blick war immer noch auf Lotte gerichtet, und sie hatte das komische Gefühl, dass Ariadne sie nicht anzusehen brauchte, solange er es tat. Lotte guckte auch zu Tabitha hinüber. Und die großen leuchtendgrünen Augen der kleinen Katze starrten sie eindringlich an, zogen sie in ihren Bann, bis sie erschrocken nach Luft schnappte.
»Nein!«, rief sie und sprang von ihrem Stuhl auf.
Ariadne drehte sich um und sah sie an, die Augen so grün wie Tabithas, mit einem Hauch desselben unheimlichen Glühens. »Wie schwarz ist schwarz, Lotte?«, fragte sie sanft. »Tabitha, Shadow und ich haben gerade versucht, deine Gedanken zu lesen. Meinst du nicht, dass es das Schlimmste ist, das man jemandem antun kann? Alles zu sehen, seine Wünsche und Träume und Ängste, und ihm nichts zu lassen, das allein ihm gehört? Stell dir vor, du würdest das Tagebuch deiner besten Freundin lesen und all ihre Geheimnisse erfahren – wenn wir in die Gedanken eines Menschen eindringen, Lotte, würden wir sogar die Geheimnisse erfahren, die er vor sich selbst verbirgt.«
»Was habt ihr gesehen?«, fragte Lotte beinah schluchzend, ihre Fingernägel bohrten sich so
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