Zauberhafte Versuchung
etwas aufgefallen. Etwas, das wir vielleicht schon vorher hätten bedenken sollen.« Er rieb sich die Stirn. »Alle in dem Pub waren krank, und in dem Moment, als Waters zur Tür hereinkam, wurden ihre Leiden zusehends schlimmer.«
Esme runzelte die Stirn.
»Selbst Minnie, das Schankmädchen, sagte etwas davon, dass die Geschäfte nicht gut liefen. Es hielten sich sehr viel weniger Gäste im Pub auf als beim letzten Mal, als wir dort waren. Als ich Minnie fragte, wo denn die Leute blieben, sagte sie, alle wären krank. Sie selbst sah auch schlecht aus.« Er schüttelte den Kopf, um die Erinnerungen an das Gesehene loszuwerden.
»Das verstehe ich nicht«, sagte Esme. »Was willst du damit sagen, Fielding?«
»Dass der Fluch der Armreifen nicht die Träger, sondern die Menschen in ihrer Umgebung trifft.« Als Esme nichts erwiderte, setzte er sich auf den Rand des Bettes. »Offensichtlich trägt Waters das Armband mit dem Fluch der Krankheit.«
»Das kann nicht sein«, flüsterte Esme. Ihre Augen waren vor Schreck ganz groß und ihr Gesicht kreidebleich geworden.
»Ist dir klar, was das bedeutet?«, fragte er.
»Oh ja«, sagte sie leise. Sie rührte sich nicht, saß nur da und starrte den Armreif an, als suchte sie nach einer Erklärung oder einer Bestätigung. »Es bedeutet, dass du die ganze Zeit, während ich mein Herz an dich verloren habe und du mich geküsst und mit mir geschlafen hast ...« Sie hielt inne, um Luft zu holen. »Dass du all das nur getan hast, weil du unter irgendeinem Zauber gestanden hast.« Als sie Fielding ansah, standen Tränen in ihren Augen, doch ihre Stimme klang rau von grimmiger Entschlossenheit. »Raus hier!«
Fielding hatte es nicht einmal abgestritten. Esme ließ sich auf ihr Bett zurückfallen und starrte an die Decke. Fielding wollte sie nicht - zumindest würde er sie nicht mehr wollen, sobald sie dieses Armband losgeworden war. Und sie hatte zugegeben, dass sie ihn liebte! Ihre Wangen brannten vor Scham.
Sie liebte ihn wirklich; eine andere Erklärung gab es für ihr Verhalten nicht - wenn es stimmte, dass sie als Trägerin des Armbandes selbst nicht von dem Fluch betroffen war.
Was sie alles getan hatte - sie hatte sich an ihn gedrückt, ihn geküsst, auf seinem Schoß gesessen, ohne in irgendeiner Weise von ihm dazu ermutigt worden zu sein!
Es spielte keine Rolle, dass sie geglaubt hatte, unter dem Einfluss des Armbandes zu stehen und außerstande zu sein, ihre geheimsten Wünsche zu beherrschen. Oder hatte sie den Fluch vielleicht nur als Ausrede benutzt, um sich so ungehörig zu benehmen, wie sie wollte? War es nichts anderes als eine geheime Wollust, die sie über Jahre hinweg in sich verborgen hatte? Welch ein Glück, dass sie nicht den Armreif trug, der mit dem Fluch des Zorns belastet war; es war nicht auszudenken, was sie dann getan hätte.
Sie hatte Fielding ihre Liebe gestanden, und trotz seiner Reaktion, trotz des Fluches hatte sich daran nichts geändert. Einen Moment lang hatte sie sich sogar eingebildet, Liebe in Fieldings Augen zu sehen, aber auch das war nur ein grausamer Schicksalsstreich gewesen. Nichts als seine Reaktion auf den verdammten Fluch.
Und diese Tatsache warf zumindest eine Frage auf: Warum hatte Fielding so stark auf ihren Armreif reagiert, aber keiner der anderen Männer, denen sie begegnet war? Warum hatten zum Beispiel Max Lindberg oder ihre Tischnachbarn bei der Dinnerparty keine Reaktion gezeigt? Natürlich hatte sie sich bei keinem anderen so schamlos aufgeführt wie bei Fielding, aber trotzdem war es eigenartig, dass der Fluch bei diesen Männern nicht gewirkt hatte.
Esme setzte sich auf und durchdachte sehr genau, was nun zu tun war.
Es war höchste Zeit, sich von dem verdammten Armreif zu befreien. Bis jetzt hatte sie nur ihr Herz verloren, aber die Mondfinsternis stand kurz bevor, und das bedeutete, dass sie Gefahr lief, auch noch ihr Leben zu verlieren.
Dieses E-Book wurde von der "Osiandersche Buchhandlung GmbH" generiert. ©2012
21. Kapitel
F ielding zog seinen Mantel fester um sich und achtete darauf, dass das Tagebuch gut darunter verborgen war, als er die Stufen zu dem Britischen Museum hinaufstieg. Heute wollte er weder in das Museum einbrechen noch sich darin einschließen lassen. Er hätte das Tagebuch auch anonym mit der Post schicken können, aber um Esmes willen hatte er beschlossen, es persönlich zurückzubringen.
Unter falschem Namen hatte er sich einen Termin bei dem Kurator geben lassen, um eine mögliche
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