Zauberhafte Versuchung
blauem Samt unterstrichen die üppigen Ornamente zusätzlich.
Langsam ging Esme durch das Zimmer, um die pompöse Einrichtung genauer zu betrachten. Ein Schreibtisch aus Mahagoni, der ebenso reich verziert war wie die Sessel, nahm fast den gesamten hinteren Teil des Raums ein. Hinter diesem ausladenden Möbelstück hing ein Schwert an der Wand, das aussah, als stammte es aus dem Mittelalter, dessen Klinge aber glänzte, als sei sie erst vor Kurzem geschärft worden. Eine Ansammlung kleinerer Messer und Dolche flankierte dieses Schwert. Offensichtlich hatte ihr Gastgeber eine Vorliebe für alte Waffen.
Esme hatte kaum Platz genommen, als ihr Blick auf das Wappen über dem Kamin fiel.
Es zeigte einen großen schwarzen Vogel auf rotem Hintergrund.
Oh Gott. Was hatte sie getan? Esme sprang auf und hastete zur Tür.
»Wie nett von Ihnen, zu mir zu kommen.« Unvermittelt trat der Rabe aus dem Schatten im Hintergrund des Raums. »Willkommen auf Black Manor. Da ich nur selten Besuch bekomme, ist mir der Ihre eine ganz besondere Freude.«
Esme wandte sich zu ihm um. »Woher wussten Sie, dass ich heute im Hyde Park sein würde?«
Sie bemerkte den Ausdruck der Enttäuschung, der über das Gesicht des Mannes huschte, bevor er sich abwandte und zu einem kleinen Tisch ging, auf dem ein Tablett mit Brandy stand.
»Sie sind es die ganze Zeit gewesen! Sie sind Mr. Brown.« Erschüttert ließ sich Esme wieder auf dem dick gepolsterten Sessel nieder. »Daher wussten Sie, dass ich den Schlüssel hatte.«
»Nein, das wusste ich, weil Sie es mir selbst gesagt haben«, entgegnete er und hob zu einem spöttischen Toast sein Glas. »Vergessen Sie nicht unsere Begegnung in der Bibliothek. Da haben Sie mir alles über Ihren Anhänger erzählt.«
Er war es gewesen, und sie hatte schlicht und einfach sein Gesicht vergessen. Wie dumm sie doch gewesen war.
»Ich gebe zu, dass es nicht leicht war, Ihre wahre Identität herauszufinden«, fuhr der Rabe fort. »Der Name ›Mr. Spencer‹ brachte mich nicht weit. Es war sehr raffiniert von Ihnen, den Vornamen Ihres Vaters als Decknamen zu benutzen.«
»Sie haben Mr. Nichols umgebracht«, beschuldigte sie ihn, und ihr drehte sich der Magen um, als sie es sagte. Denn es war einzig und allein ihre Schuld, dass Mr. Nichols getötet worden war. Das alles war ihre Schuld.
»Ich fürchte, so ist es«, erwiderte der Rabe so gleichmütig, als hätte er gestanden, den letzten Keks aus der Dose stibitzt zu haben.
»Werden Sie mich auch umbringen?« Obwohl Esme sich die größte Mühe gab, Ruhe zu bewahren, wollte ihr das einfach nicht gelingen. Vermutlich konnte der Rabe ihre Angst riechen, wie ein Raubtier, das seine Beute witterte. Ein kalter Schauder lief ihr den Rücken hinunter.
»Die Möglichkeit besteht durchaus, doch ich bezweifle, dass es dazu kommen wird. Fielding scheint Sie sehr gern zu haben, möglicherweise wird er Sie ja retten.« Der Rabe trank einen Schluck von seinem Brandy und ließ ihn mit offensichtlichem Genuss auf seiner Zunge kreisen. »Ja, Sie sind ein hervorragender Köder für die Falle, die ich ihm stellen werde.«
»Ist es das, worauf Sie bauen?«, fragte Esme. »Dass er hierherkommt und einen Handel mit Ihnen abschließt, um mich zu retten? Ich kann Ihnen versichern, dass Fielding, was immer Sie auch glauben mögen, keine zärtlichen Gefühle für mich hegt.«
»Nun, dann werde ich Sie vielleicht doch töten müssen.« Er ging hinaus auf den Flur, wo Esme ihn leise etwas sagen hörte - so leise, dass sie nichts verstehen konnte. Kurz darauf kam er zurück, dieses Mal mit einem Mann in seiner Begleitung, den sie kannte.
»Nun, Miss Worthington, ich glaube, Sie kennen Thatcher schon.«
»Bedauerlicherweise ja.«
Thatcher sah nicht anders aus als in der Nacht, in der er sie entführt hatte. Auch heute war er von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleidet und trug sein langes, strähniges Haar zurückgebunden in einem Zopf. Als er an ihr vorbeiging, zwinkerte er ihr lüstern zu.
Wie könnte sie sich aus dieser Bredouille befreien, in die sie sich selbst gebracht hatte? In Esme stieg Panik auf, aber sie zwang sich, ruhig zu bleiben. Mit Hysterie hatte sich noch nie ein Problem lösen lassen. Sie musste einen kühlen Kopf bewahren, wenn sie das hier überleben wollte. Wenn der Rabe die Absicht hatte, sie zu töten, hätte er das dann nicht schon getan? In der Hoffnung, dass sie sich in dieser Hinsicht nicht irrte, versuchte Esme, sich wieder zu entspannen.
Die beiden Männer
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