Zauberhafte Versuchung
ungewöhnlich und kann einem fast die Ohren abreden.«
Max zog die Augenbrauen hoch. »Nun, dann werde ich Ihre Warnung beherzigen und meine Ohren entsprechend schützen.«
Kurz darauf hatten sie die Frauen ins Haus gebeten, und alle vier hatten in einem hellen, mit vielen Fenstern ausgestatteten Salon Platz genommen. Auf dem Tisch vor ihnen stand ein Tablett mit Tee und glasierten Plätzchen. Esme und ihre Tante saßen auf einem blau-gold gestreiften Sofa und ließen sich nicht die kleinste Einzelheit des prachtvoll eingerichteten Salons entgehen. Von dem dicken goldfarbenen Teppich bis hin zu den schweren blauen Draperien an den Fenstern schien den Damen die sie umgebende Opulenz sehr zu imponieren.
Fielding hatte in einem kleinen Fauteuil Platz genommen, der eher für eine Angehörige des schönen Geschlechts bestimmt zu sein schien. Nicht nur die Zierlichkeit des Sessels, sondern auch der blassblau geblümte Bezug gab Fielding das Gefühl, schwer und ungelenk zu sein - zumal er auch noch eine kleine Teetasse aus feinem Porzellan auf seinem Knie balancieren musste.
»Oh, mein lieber Junge, ich habe das Gefühl, dass meine angegriffenen Nerven sich langsam zu beruhigen beginnen«, sagte Thea und nippte genießerisch an ihrem Tee.
»Das freut mich zu hören«, sagte Max.
»Sie haben ein wunderschönes Heim«, sagte Esme. »Ich danke Ihnen, dass Sie uns so freundlich aufgenommen haben.«
»Und ich hoffe, dass die Drangsalierungen, die Sie ertragen mussten, keinen bleibenden Schaden hinterlassen haben«, sagte Max.
Esme schenkte Fielding ein Lächeln, das so aufrichtig war, dass er seinen Blick nur mit Mühe von ihr abwenden konnte.
»Zum Glück war Mr. Grey rechtzeitig dort, um mich zu retten«, sagte sie. »Ich weiß nicht, was ich ohne ihn getan hätte. Wahrscheinlich wäre ich irgendwann von den Ratten aufgefressen worden.«
»Um Himmels willen, Kind, sag so etwas nicht!«, rief Thea und tätschelte Esme die Hand. »Du bist doch jetzt in Sicherheit, und das ist das Einzige, das zählt.«
»Nun, es wäre immerhin gut möglich gewesen«, beharrte Esme und biss in eines der Plätzchen. Es war so köstlich, dass sie verzückt die Augen schloss, bevor sie den Bissen mit einem sehr damenhaften Schlückchen Tee herunterspülte.
Thea, die sich soeben noch angeregt unterhalten hatte, war von einer Sekunde auf die andere eingeschlafen, ohne auch nur ein Tröpfchen aus ihrer Teetasse zu verschütten, die auf ihrem Schoß stand.
Fielding hätte sich selbst dann nicht deplatzierter fühlen können, hätte er mit der Königin zusammengesessen. Es gab Tage, an denen er mit niemandem sprach, allerhöchstens mit den wenigen Bediensteten, die er in seinem Haus beschäftigte. Und wenn er bei irgendwelchen Ausgrabungen war, heuerte er immer nur so viele Männer an, wie er tatsächlich brauchte. Doch nun sah es ganz danach aus, als würde er in der nächsten Zeit permanent von Menschen umgeben sein, was ihm gar nicht behagte.
»Worthington«, bemerkte Max nachdenklich. »Sagen Sie mir, woher ich diesen Namen kenne?«
Esme errötete ein wenig, stellte ihren Teller ab und strich die Falten aus ihrem Rock, wobei sie einer davon sehr lange ihre Aufmerksamkeit widmete.
Fielding beobachtete sie verwundert, denn obwohl er Esme erst zwei Tage kannte, hatte er sie trotz allem, was sie durchgemacht hatte, noch nie so unsicher gesehen.
Sie hob das Kinn ein wenig an und befeuchtete ihre Lippen. »Vermutlich kennen Sie meine Schwester«, sagte sie.
Max schwieg einen Moment. »Elena«, sagte er dann fast im Flüsterton.
Esme richtete sich auf. »Ja«, bestätigte sie, und ihre Stimme klang angespannt.
Max wird mich für einen Lügner halten, dachte Fielding, weil ich Esme als redselig bezeichnet habe und sie nun aber entschlossen zu sein scheint, sich so zugeknöpft und einsilbig zu geben wie nur möglich.
Nach einem Schluck Tee und einer nachdenklichen kleinen Pause ergriff der Marquis wieder das Wort. »Ein hübsches Mädchen, Ihre Schwester. Ich glaube, wir haben ein paar Mal miteinander getanzt«, sagte er mit einem vielsagenden Lächeln. »Bevor sie sich diesen Griffin aufgebürdet hat.«
»Ja, sie ist recht hübsch«, stimmte Esme mit ungewöhnlich dünner Stimme zu.
Fielding versuchte zu deuten, was Esmes Blick so verdüsterte.
Eifersucht vielleicht. Groll. Oder stiller Kummer.
Max hatte unabsichtlich einen wunden Punkt berührt. Demnach steckte mehr in Esme Worthington, als es den Anschein hatte. Da gab es mehr als
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