Zauberhafte Versuchung
seiner Worte stieß der Rabe einen Finger auf den Tisch. »Glaub nicht einen Moment lang, ich würde nicht jede deiner Entscheidungen kennen, noch bevor du sie überhaupt getroffen hast.«
Fielding trat einen Schritt zurück. Er hätte nicht hierherkommen sollen. Diese Begegnung war für seinen Onkel nichts weiter als eine Gelegenheit, mit ihm zu spielen. Schon immer hatte er das getan. Nur dass Fielding jetzt ein erwachsener Mann war und nicht mehr der leicht beeinflussbare Neffe, mit dem sein Onkel leichtes Spiel gehabt hatte. »Du weißt gar nichts über mich«, gab er daher mit so energischer Stimme zurück, dass er sie selbst kaum erkannte. »Und ich schulde dir auch nichts.«
»Undankbar wie immer«, murmelte der Rabe. »Genauso undankbar wie dieser Waters. Sollte der Kerl je zu mir zurückgekrochen kommen, wird er das ganze Ausmaß meines Zorns zu spüren bekommen.« Damit setzte er sich wieder und zündete sich eine weitere Zigarre an.
Fieldings Verdacht, dass Waters nicht zum Raben zurückgekehrt war, hatte sich damit bestätigt.
»Weißt du, wer mich beauftragt hat, diesen verdammten Kasten aufzutreiben?« Die Stimme des Raben war wieder so ruhig wie zuvor.
Fielding würdigte ihn keiner Antwort.
»Der Neffe des preußischen Königs. Offenbar hat einer seiner Berater ihm eingeredet, er könnte ganz Preußen regieren, wenn er diesen Kasten an sich brächte.« Der Rabe lachte. »Und deshalb nahm dieser Narr Kontakt zu mir auf, damit ich ihm das Ding herbeischaffe.«
»Was bezahlt er dir?«, fragte Fielding.
»Das ist ja das Schöne.« Sein Onkel beugte sich zu ihm vor, als wären sie wie früher einmal noch Freunde, die sich unterhielten. »Sobald er König ist, wird er mir eine Insel in der Karibik übertragen, wo ich regieren kann, wie es mir passt.«
»Eine Insel«, wiederholte Fielding.
»Ich habe diese Vereinbarung getroffen, bevor ich erfuhr, dass diese Büchse der Pandora wirklich Macht besitzt. Deshalb glaube ich nun, dass unsere Abmachung noch einmal neu verhandelt werde muss«, erklärte der Rabe.
»Und was gedenkst du zu tun?«, fragte Fielding, obwohl er wusste, wie vergeblich diese Frage war.
Sein Onkel lächelte. »Das wirst du abwarten müssen.«
»Ich gebe dir die Schatulle nicht.«
»Ich will deiner kleinen Freundin nichts zuleide tun, aber das werde ich, wenn es nicht anders geht. Lass mich überlegen ...« Er kratzte sich das glatt rasierte Kinn. »Mit was für einem Fluch ist sie geschlagen?« Er tat, als läse er in einigen Aufzeichnungen auf seinem Tisch.
»Wenn du noch einmal auch nur in Esmes Nähe kommst, bringe ich dich um.« Fielding wandte sich zum Gehen.
Das boshafte Gelächter des Raben schallte durch den Raum. »Sei doch nicht so theatralisch, Fielding. Wir beide können noch zu einer Einigung gelangen.«
Fielding, dessen Hand schon auf dem Türknauf lag, hielt inne, aber er sagte nichts.
»Wie wäre es, wenn du zurückkommst, um mit mir zusammenzuarbeiten? Es wird so sein wie früher, und wir beide werden durch die ganze Welt reisen. Zusammen können wir ein Vermögen machen. Und wir können auch herausfinden, was deinem Vater an jenem verhängnisvollen Tag tatsächlich zugestoßen ist. Ich weiß, wie viel dir daran liegt, es zu erfahren und jemanden dafür zur Rechenschaft zu ziehen.«
Fielding umklammerte den Türknauf, während er gegen Wunsch ankämpfte, zu seinem Onkel zu gehen und ihm die Kehle zuzudrücken.
»Komm zu mir zurück, und deiner Miss Worthington wird kein Haar gekrümmt werden.« Die Stimme des Raben klang aalglatt.
Es wäre so einfach, einen Handel mit dem Teufel abzuschließen und Esme dadurch zu beschützen, ging es Fielding durch den Sinn.
»Mein Angebot gilt nicht ewig«, warnte ihn sein Onkel.
»Fahr zur Hölle«, erwiderte Fielding und schenkte es sich, die Tür zu schließen, als er ging.
Vor dem Haus nannte Fielding dem Fahrer der wartenden Kutsche die Adresse seines Hauses und wies ihn an, ihn dorthin zu fahren. Er wollte jetzt noch nicht in das Haus des Marquis zurückkehren. Er brauchte ein wenig Zeit für sich, um zu entscheiden, wie er weiter vorgehen sollte. Er würde ganz allein in seinem Haus sein, was sehr gut zu seiner miserablen Stimmung passte.
Obwohl seine Dienstboten ihr Bestes getan hatten, um das Haus zu reinigen und wieder Ordnung zu schaffen, waren hier und da noch Spuren des Einbruchs zu erkennen. Die zerbrochenen Fensterscheiben waren zwar abgedeckt, aber noch nicht durch neue ersetzt worden. Die Sammlung
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