Zauberin von Darshiva
welche geben können? Ich bin durch Zufall darüber gestolpert.«
Belgarath und Beldin blickten einander an. Dann seufzte Belgarath und drückte eine Hand auf die Augen.
»Das gibt es hin und wieder«, sagte Beldin. »Manche Leute stoßen von selbst darauf.«
»Ich weiß, aber es ist so deprimierend. Überleg doch nur, wie viele Jahrhunderte unser Meister brauchte, uns zu unterrichten; und dieser Bursche kommt ganz von allein darauf!« Er blickte wieder Senji an. »Erzählt uns doch davon«, forderte er ihn auf. »Und bemüht Euch, nichts auszulassen.«
»Haben wir dazu denn wirklich die Zeit, Großvater?« gab Garion zu bedenken.
»Wir müssen sie uns nehmen«, sagte Beldin. »Das ist eines der letzten Gebote unseres Meisters. Wann immer wir jemandem begegnen, der das Geheimnis ganz von selbst entdeckt hat, müssen wir uns näher erkundigen. Denn nicht einmal die Götter wissen, wie es dazu kommt.«
Senji rutschte vom Tisch hinunter und hinkte zu einem überquellenden Bücherregal. Er kramte kurz darin herum, dann brachte er ein sehr mitgenommenes Buch zum Vorschein. »Verzeiht den Zustand«, entschuldigte er sich. »Es hat schon einige Explosionen erlebt.« Er humpelte zurück zum Tisch und schlug es auf. »Ich schrieb es während des dreiundzwanzigsten Jahrhunderts«, sagte er. »Ich bemerkte damals, daß ich ein wenig vergeß-
lich wurde. Da wollte ich alles aufzeichnen, solange ich es noch frisch im Gedächtnis hatte.«
»Klingt vernünftig«, lobte Beldin. »Mein grimmiger Freund da stellte in letzter Zeit ein paar erschreckende Gedächtnislücken fest – aber das ist schließlich zu erwarten von einem, der neunzehntausend Jahre alt ist.«
»Würdest du aufhören zu übertreiben?« sagte Belgarath ätzend.
»Oh, bist du denn schon älter?«
»Das reicht, Beldin!«
»Ah, hier ist es«, sagte Senji. Er fing laut zu lesen an: »›Fern der theologischen und politischen Streitigkeiten des Westkontinents blühte und gedieh das Melcenische Reich während der nächsten vierzehnhundert Jahre. Die melcenische Kultur war religionsfrei, zivilisiert und hochgebildet. Sklaverei war unbekannt.
Der Handel mit den Angarakanern und deren unterworfenen Völkern in Karanda und Dalasien war außerordentlich gewinnbringend. Die alte Hauptstadt von Melcene wurde zum Unterrichtszentrum. ‹«
»Verzeiht«, sagte Belgarath, »aber ist das nicht wörtlich aus Melcenische und Malloreanische Kaiser übernommen?«
»Natürlich«, antwortete Senji ohne die geringste Verlegenheit. »Plagia-tismus ist die erste Regel für wissenschaftliche Bildung. Unterbrecht mich nicht!«
»Entschuldigt«, murmelte Belgarath.
»›Bedauerlicherweise‹«, las Senji weiter, »›wandten sich einige melcenische Gelehrte Geheimwissenschaften zu. Ihr Hauptinteresse lag im Gebiet der Alchimie. ‹« Er blickte Belgarath an. »Von nun an ist es nicht mehr abgeschrie-ben. Hört zu.« Er räusperte sich. »>Es war ein melcenischer Alchimist, Senji der Klumpfüßige, der sich unbeabsichtigt, während eines Experiments, der Zauberei bediente.‹«
»Ihr sprecht von Euch in der dritten Person?« wunderte sich Beldin.
»Das war eine im dreiundzwanzigsten Jahrhundert übliche Affektation«, erklärte Senji. »Autobiographien waren damals verpönt – man hielt sie für unbescheiden, wißt Ihr? Es war ein sehr langweiliges Jahrhundert, ich habe die meiste Zeit gegähnt.« Er las wieder. »›Senji, ein Praktiker der Alchimie des fünfzehnten Jahrhunderts an der Universität der Reichsstadt, war berüchtigt für seine Unfähigkeit. ‹« Er machte eine Pause. »Ich werde das vielleicht etwas ändern«, meinte er. Er blickte auf die nächste Zeile. »Und das kann unmöglich so bleiben.«
»›Offen gesagt‹«, las er und verzog das Gesicht, »›Senjis Experimente machten öfter Gold zu Blei, denn umgekehrt. In einem schrecklichen Wutanfall über das Mißlingen eines Experiments verwandelte Senji ahnungslos eine halbe Tonne Installationsrohre aus Messing in Gold. Sofort kam es zur Auseinandersetzung zwischen dem Finanzministerium, dem Amt für Bergbau, dem Amt für sanitäre Einrichtungen, der Fakultät für angewandte Alchimie und der Fakultät für vergleichende Theologie darüber, welcher der Stellen die Kontrolle über Senjis Entdeckung zustehe. Nach etwa dreihundert Jahren dieser Streitigkeiten, wurde es den beteiligten Parteien bewußt, daß Senji nicht nur begabt, sondern offenbar auch unsterblich war. Die Parteien einigten sich, daß dies, um
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