Zauberin von Darshiva
der wissenschaftlichen Forschung willen, auf die Probe gestellt werden und alles unternommen werden sollte, Senji zu töten.‹«
»Unglaublich!« rief Beldin.
»O nein«, entgegnete Senji mit fast grimmiger Selbstgefälligkeit. »Melcener sind wißbegierig bis ins letzte. Sie schrecken vor nichts zurück, um eine Theorie zu beweisen.«
»Was habt Ihr getan?«
Senji grinste so stark, daß seine lange Nase und das spitze Kinn sich fast berührten. »›Ein berüchtigter Fensterstürzer wurde angeworben, den jähzorni-gen alten Alchimisten aus einem Turmfenster der Universitätsverwaltung zu werfen‹«, las er. »›Dieses Experiment hatte dreierlei Zweck. Was die neugierigen Stellen herausfinden wollten, war folgendes: (A) ob Senji wirklich nicht getötet
’werden konnte; (B) welcher Mittel er sich bedienen würde, um sein Leben zu retten, während er dem gepflasterten Hof entgegenstürzte; und (C) ob es möglich wäre, das Geheimnis des Fluges zu ergründen, wenn man ihm keine andere Al-ternative ließ.‹« Der klumpfüßige Alchimist klopfte mit dem Handrücken auf die Buchseite. »Ich war schon immer ein wenig stolz auf diesen Satz«, gestand er. »Er ist so schön abgewogen.«
»Er ist ein Meisterwerk«, versicherte ihm Beldin und schlug dem kleinen Mann so fest auf die Schulter, daß er fast vom Tisch gekippt wäre. »Gestattet«, sagte er und griff nach Senjis Becher, »daß ich ihn für Euch nachfülle.« Er kräuselte die Stirn, ein Rauschen war zu vernehmen, und der Becher war wieder voll. Senji nahm einen Schluck und fing heftig zu keu-chen an.
»Das ist ein Getränk, das eine gute Bekannte, eine Nadrakerin braut«, erklärte ihm Beldin. »Starkes Zeug, nicht wahr?«
»Sehr«, bestätigte Senji heiser.
»Lest weiter, Freund.«
Senji räusperte sich – mehrmals – und fuhr fort. »›Was die Beamten und Gelehrten als Ergebnis ihres Experiments letztendlich herausfanden, war, daß es außerordentlich gefährlich ist, das Leben eines Zauberers zu bedrohen – selbst eines so unfähigen wie Senji. Der Fensterstürzer fand sich plötzlich an eine Stelle transloziert, die fünf Meilen entfernt und eine Meile über dem Hafen lag. Einen Augenblick war er noch dabei gewesen, Senji mit Gewalt zum Fenster zu befördern, im nächsten stand er in leerer Luft, hoch über einer Fischereiflotte. Sein Dahinscheiden war kein Anlaß zu besonderer Trauer – außer unter den Fischern, deren Netze durch seinen jähen Sturz stark beschädigt wurden. ‹«
»Das war ein meisterlicher Absatz!« lobte Beldin. »Aber woher kanntet Ihr die Bedeutung des Wortes ›Translokation‹?«
»Ich las eine alte Schrift über die Heldentaten des Zauberers Belgarath, und ich…« Abrupt hielt Senji inne, wurde kreidebleich, drehte sich um und starrte Garions Großvater offenen Mundes an.
»Es ist eine schreckliche Enttäuschung, nicht wahr?« sagte Beldin. »Wir rieten ihm schon immer, daß er versuchen sollte, etwas imposanter auszusehen.«
»Das mußt ausgerechnet du sagen!« brummte der alte Mann.
»Du bist der mit dem welterschütternden Ruf.« Beldin zuckte die Schultern. »Ich bin bloß ein Handlanger und begleite dich nur als Hanswurst.«
»Du genießt das richtig, nicht wahr, Beldin?«
»Soviel Spaß hatte ich seit Jahren nicht mehr. Warte, bis ich es Pol erzäh-le.«
»Du hältst den Mund, verstanden?«
»Jawohl, o mächtiger Belgarath!« spottete Beldin.
Belgarath wandte sich an Garion. »Jetzt verstehst du vielleicht, warum Silk mich so reizt.«
»Ja, Großvater. Ich glaube schon.«
Senji blickte den alten Mann immer noch fassungslos an.
»Nehmt noch einen Schluck, Senji«, riet ihm Beldin. »Ein bißchen bedu-selt fällt es einem gar nicht mehr so schwer, sich mit den Dingen abzufin-den.«
Senji fing zu zittern an. Dann leerte er den Becher in einem Zug, ohne zu husten.
»Also, das ist ein guter Junge«, lobte ihn Beldin. »Bitte lest weiter. Eure Geschichte ist faszinierend.«
Stockend fuhr der kleine Alchimist fort. »›In einem Ausbruch berechtigten Zornes ging Senji daran, die verantwortlichen Minister und Leiter der Ämter und Fakultäten zu bestrafen, die gemeinsam beschlossen hatten, ihm Gewalt an-tun zu lassen. Erst das persönliche Ansuchen des Kaisers veranlaßte den alten Mann, von einigen sehr ungewöhnlichen Bestrafungen Abstand zu nehmen. Von da an waren die Amts- und Fakultätsleiter nur zu gern bereit, Senji ungestört zu lassen.
Senji gründete eine eigene, private Akademie und suchte
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