Zauberkusse
schmalen Spalt der angelehnten Wohnzimmertür ein Lichtstrahl über den Fußboden. Verdammt. Ich überblicke schnell das Chaos, das ich angerichtet habe, die in tausend Stücke zerschellte Vase, die zwar hässlich, aber sicher nicht billig war, das ruinierte Bild und beschließe, dass es eine gute Idee wäre, schleunigst Land zu gewinnen. Ich habe mich gerade wieder aufgerappelt, als mich ein Stoß in den Rücken erneut zu Boden reißt.
2.
Verbrechen aus Leidenschaft
Und so kommt es, dass Gregor und ich nebeneinander auf dem Fußboden seines Wohnzimmers hocken und in unbehaglicher Erwartung in Richtung Tür blicken, die jetzt aufgestoßen wird und in deren Rahmen ein dunkelhaariger Polizist erscheint. Obwohl er mit seiner Waffe in meine Richtung zielt, kann ich nicht umhin, der Einführung der dunkelblauen Polizeiuniformen hier in Hamburg insgeheim Beifall zu klatschen. Wie einem amerikanischen Actionfilm entsprungen sieht er aus. Jetzt löst sich seine linke Hand von der Pistole und tastet die Wand neben der Tür nach dem Lichtschalter ab. Geblendet blinzele ich zu ihm hoch, sehe in zwei stahlblaue Augen, die mich streng mustern.
»Sind Sie bewaffnet?«, fragt er und macht einen vorsichtigen Schritt auf mich zu.
»Nein.« Heftig schüttele ich den Kopf und strecke ihm zum Beweis meine Hände entgegen. Sein Gesichtsausdruck verändert sich, er steckt seine Waffe zurück ins Halfter und kommt auf Gregor und mich zu.
»Wer ist verletzt? Wessen Blut ist das?« Ich brauche eine Sekunde, um zu kapieren, wovon er spricht. Dann blicke ich hinunter auf meine farbverschmierten Hände und schüttele den Kopf.
»Aber nein, das ist doch kein Blut, das ist Farbe.« Und weil er immer noch ziemlich ungläubig dreinschaut, bleibt mir nichts anderes übrig, als mit dem Finger auf das verunstaltete Bild an der Wand zu zeigen.
»Was zum Teufel …«, höre ich Gregor in meinem Rücken unterdrückt fluchen und ich fahre so heftig zu ihm herum, dass er zusammenzuckt.
»Möchtest du was sagen?«, blaffe ich ihn an, als ich aus den Augenwinkeln eine Bewegung wahrnehme. In der Wohnzimmertür steht eine schlanke, blonde Frau im rotkarierten, übergroßen Flanellhemd und starrt mich an. Und ich starre zurück.
»Wer ist das? Was machen Sie hier? Wollen Sie sie nicht verhaften?« Gregor rückt kaum merklich ein Stückchen von mir ab, was ich mit einem bösen Blick in seine Richtung quittieren würde, wäre ich nicht so sehr damit beschäftigt, die Frau im Türrahmen anzugaffen. Ich kann es nicht fassen. Sie sieht vollkommen anders aus, als ich sie mir vorgestellt habe. Schulterlanges, blondes Haar, eher zierlich, mit Sommersprossen und grünen Augen. Verdammt, die Frau sieht genauso aus wie ich. Und überhaupt nicht so wie die Frau auf dem Bild. Während ich mich bemühe, diese neuen Erkenntnisse in meinem Hirn irgendwie sinnvoll zu verknüpfen, kommt Gregor neben mir wieder auf die Füße und geht seiner Frau entgegen. Ich registriere jetzt erst, dass er einen grau-weiß-gestreiften Pyjama trägt. Wie spießig! Schützend legt er den Arm um Annas Schultern.
»Was ist denn hier bloß passiert?«, fragt diese fassungslos und schaut sich um. »Meine Vase«, wimmert sie und macht einen Schritt ins Wohnzimmer hinein.
»Nicht«, hält Gregor sie ab, »hier liegen überall Scherben herum und du bist barfuss.« Sie nickt gehorsam und bleibt stehen, während ich innerlich zu kochen beginne. Nicht genug damit, dass ich ihn mit ihr im Bett gesehen habe, jetzt muss ich auch noch seine Fürsorglichkeit ertragen? Ohne mich! Mit einem Satz bin ich auf den Füßen und stürze in Richtung Garten davon.
Zum zweiten Mal in der letzten Viertelstunde werde ich von der Wucht eines männlichen Körpers zu Boden gestreckt. Eine Mischung aus herbem Aftershave und einem Hauch von Männerschweiß umfängt mich, als sich der junge Polizeibeamte auf mich wirft.
»Hier geblieben, wo wollen Sie denn hin?«, fragt er in süffisantem Tonfall.
»Ich wollte nur mal frische Luft schnappen«, gebe ich aufsässig zurück und er lacht leise an meinem Ohr. »Gehen Sie runter von mir«, fordere ich ihn empört auf, »Sie zerquetschen mich ja.«
»Damit Sie dann wieder stiften gehen? Ich denke nicht.«
»Ich laufe nicht weg«, japse ich, denn allmählich wird die Luft in meinen Lungen tatsächlich knapp. »Ehrlich.« Er beugt sich zu mir herunter und eine der längeren, braunen Haarsträhnen über seiner Stirn fällt auf mein Gesicht.
»Ich würde Ihnen wirklich
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