Zauberkusse
bin nur leidlich überzeugt, als ich den Blick wieder hebe, weil Loretta zu sprechen beginnt:
»Ich glaube, es ist dringend notwendig, dass ihr zwei Hübschen mal miteinander redet. Oder glaubt ihr allen Ernstes, dass eine Tüte voller Kräuter und irgendwelche rumänischen Zaubersprüche euer Problem lösen können?« Für den Bruchteil einer Sekunde kreuzen sich Annas und meine Blicke, dann sehen wir beide wieder angestrengt in eine andere Richtung. Natürlich, keine von uns beiden will zugeben, dass sie an den Mumpitz glaubt. »Wie auch immer«, fährt Loretta fort, »ein Gutes hatte die Geschichte wenigstens: Dass ihr beiden gezwungen wart, aufeinanderzutreffen. Und ich werde mich nicht vom Fleck bewegen, bevor ihr nicht miteinander gesprochen habt.« Wie ein Ringrichter steht sie in unserer Mitte, die Arme verschränkt und ihr Blick springt wach zwischen uns hin und her.
»Ich weiß wirklich nicht, was du von uns willst«, sage ich patzig, während Anna von einem Fuß auf den anderen wippt und verfroren die Schultern hochzieht.
»Verdammt noch mal, das kann doch wohl nicht wahr sein«, platzt Loretta der Kragen, »ich weiß, ihr hasst euch gegenseitig, du«, sie wendet sich Anna zu, »bist stinksauer auf Luzie, weil sie mit deinem Mann etwas angefangen hat, und du«, das bin ich, »bist sauer auf Anna, weil du denkst, dass sie deinem Glück mit Gregor im Weg steht.«
»Weil ich das denke? Du hast sie wohl nicht alle«, sage ich empört. »Gregor liebt sie nicht. Er liebt mich. Und sie versucht, ihn emotional zu erpressen.«
»Stopp!«, geht Loretta dazwischen, bevor ich richtig loslegen kann. Anna ist jetzt kreidebleich im Gesicht, ich kann die Muskeln ihres Kiefers arbeiten sehen. Regungslos hat sie den Blick auf mich geheftet und ich laufe wider Willen rot an. Ja, ich schäme mich, ihr diese Sachen so einfach ins Gesicht geschleudert zu haben. Und schon wieder kann ich nichts dagegen tun, mich für einen Augenblick in ihre Lage zu versetzen. Sie hat ihn geheiratet, ein Haus bezogen, vermutlich eine Familie geplant. Und jetzt liegt das alles in Schutt und Asche. Man will nicht hören, dass der Mann, den man liebt, nicht das Gleiche fühlt. Noch weniger will man es vermutlich von seiner Geliebten hören.
»Das ist nicht wahr«, quetscht sie mühsam hervor und ich sehe sie hilflos an.
»Wie es wirklich ist, das weiß nur einer allein. Und zwar Gregor«, zieht Loretta unsere Aufmerksamkeit wieder auf sich. »Ich weiß, ihr liebt ihn beide, ich weiß, es ist eine beschissene Situation, aber anstatt euch gegenseitig an die Gurgel zu springen, solltet ihr vielleicht einen kleinen Teil eurer Aggression auf den Menschen richten, der sie verdient.« Verständnislos sehen wir sie an, was sie zu einem erneuten Augenrollen veranlasst. »Gregor«, erklärt sie heftig. »Vielleicht dürfte ich euch mal kurz erklären, wie die Situation von außen aussieht.« Sie wendet sich mir zu: »Er fängt was mit dir an und erzählt dir erst von seiner Frau, als du dich schon hoffnungslos in ihn verliebt hast.« Neben mir zieht Anna hörbar die Luft ein. »Er beteuert wieder und wieder, dass er sich von Anna trennen wird und dir«, damit meint sie selbige, »erzählt er wahrscheinlich dasselbe über Luzie. Wenn man dann noch bedenkt, dass ihr beiden einander geradezu verblüffend ähnlich seht«, widerwillig mustern wir uns gegenseitig von Kopf bis Fuß, »gibt es nur eine Schlussfolgerung.« Während sie noch Atem holt, denke ich ernsthaft darüber nach, mir einfach mit beiden Händen die Ohren zuzuhalten. Aber ich tue es nicht, denn Anna steht unbeweglich da und stellt sich gefasst Lorettas These: »Der Typ ist ein Mistkerl und liebt euch beide nicht wirklich, sondern nur sich selbst.«
Wie betäubt stehen wir einander gegenüber, mir wird ein bisschen schwindelig und einen Augenblick ist es, als würde Annas Gesicht auf mich zukommen, ganz nah. Ich kann fast die Poren ihrer blassen Haut sehen, da entfernt sie sich wieder von mir. Die Geräusche des Waldes dringen wie durch eine Wattewand an mich heran, ein paar zwitschernde Vögel, knackende Äste und der Wind, der durch die Bäume streicht. Ich spüre etwas Kaltes, Nasses an meiner Nasenspitze und blinzele verwundert nach oben in den Himmel, von dem jetzt dicke, weiße Schneeflocken herunterfallen. Wie von weit her dringt Annas Stimme an mein Ohr.
»Ich sagte, ich werde ihn nicht aufgeben. Niemals!« Damit pustet sie sich eine Schneeflocke, die sich in ihren dichten,
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