Zauberkusse
Lächeln erhellt, während Loretta in mein Geschimpfe mit einfällt.
»Mann, kannst du nicht aufpassen? Mein schöner Pulli«, nörgelt sie und beginnt hektisch, mit einer der roten Servietten an mir herumzuwischen.
»Meinst du, ich habe das absichtlich gemacht?«, fahre ich sie an.
»Damit machen Sie es nur schlimmer«, bemerkt Thekla und reicht Loretta ein weißes Papiertaschentuch.
Wirklich klasse! Da sitze ich hier mit Gregors Frau und demonstriere als Erstes, dass ich zu blöd bin, aus einer Tasse zu trinken. Großartig!
»Es ist wirklich wie verhext«, grummele ich. Plötzlich aufmerksam geworden schaut Thekla mich an.
»Du hast gesagt, dass dir das in letzter Zeit häufiger passiert ist?« Na prima. Luzie, die Kleckerliesel.
»Ja«, gebe ich widerwillig zu und auf einmal mustert Thekla Anna scharf.
»Anna?«
»Ja?«, flötet diese.
»Ich habe doch gesagt, keine negativen Gedanken.« Mit diesen Worten rappelt Thekla sich auf und humpelt zu dem großen Schrank, in dem sie all ihre magischen Zutaten aufbewahrt.
»Was ist denn?« Während Thekla beginnt, in ihren vielen Töpfchen und Tüten zu kramen, fällt bei mir der Groschen und ich starre Anna fassungslos an. »Du hast mir negative Gedanken geschickt?« Aber Anna scheint entschlossen, sich nicht ohne Anwalt zu diesem Vorwurf zu äußern. Sie starrt durch mich hindurch, als sei ich Luft. »Und ich Idiot habe dir nur positive Gedanken geschickt«, rege ich mich auf.
»Ach ja?«, fragt sie mit ironisch hochgezogener Augenbraue und deutet mit ihrer perfekt manikürten Rechten auf den hautfarbenen Schaumstoffring um ihren Hals. »Bist du dir da auch wirklich ganz sicher?« Also, da hört sich doch alles auf. Empört stemme ich die Fäuste in meine Hüften und funkele Anna wütend an. Ich lasse mich doch nicht dafür verantwortlich machen, dass die Frau nicht anständig Auto fahren kann. »Ich habe dir Erfolg im Job gewünscht und sogar eine neue, große Liebe«, erkläre ich aufgebracht.
»Ich will keine neue Liebe«, fällt sie mir ins Wort, »Gregor ist meine große Liebe und du wirst dich nicht zwischen uns stellen. Und ich glaube, ich habe alles Recht der Welt, dir die Pest an den Hals zu wünschen«, fährt sie mit erhobener Stimme fort. »Was fällt dir ein, meine Ehe zerstören zu wollen?«
»Aber ich wusste doch gar nicht …«, beginne ich, aber Anna ist jetzt nicht mehr zu bremsen.
»Ist mir scheißegal. Ich will, dass du Gregor in Ruhe lässt. Er ist nicht dein Mann. Er ist meiner.« Zack, das hat gesessen. Ich senke den Blick, während diese Worte in meinem Inneren nachhallen. Natürlich, er ist ihr Mann. Nicht meiner. Aber ich liebe ihn doch. Mein Blick fällt auf den hässlichen Fleck auf meiner rechten Brust, und das aufflackernde Schuldbewusstsein weicht erneut dem Zorn.
»Weißt du, wie viele Kleidungsstücke ich mir ruiniert habe? Und meine Wildlederhose, da geht Kaffee nie mehr raus.« Anna tut so, als würde sie das alles überhaupt nichts angehen. »Ich schick dir die Rechnung«, fauche ich empört, und als sie nicht mit der Wimper zuckt, sehe ich rot. Ich reiße Loretta ihre noch volle Teetasse aus der Hand und schütte Anna den Inhalt über ihren blütenweißen Pullover. Jetzt haben wir also alle drei Flecken auf der Kleidung. Ich nenne das nur ausgleichende Gerechtigkeit. Anna zuckt zurück und stößt gleich darauf einen Schmerzenslaut aus, während sie mit der Hand an ihren Nacken greift.
»Au, verdammt.« Betroffen sehe ich sie an, wie sie sich auf die Unterlippe beißt und ganz vorsichtig den Kopf ein wenig hin- und herbewegt. Dann spüre ich auch noch Lorettas Ellenbogen, den sie mir unsanft in die Seite rammt. Ich sehe erst sie und dann wieder Anna an und murmele:
»Tschuldigung.« Ein eiskalter Blick trifft mich.
»Du verdammtes Flittchen!«
»Miststück«, gebe ich zurück und einen Augenblick lang sieht es so aus, als wollte sie sich auf mich stürzen. Die soll nur kommen. Kampfeslustig funkele ich sie an, aber in diesem Moment dreht Thekla sich wieder zu uns um.
»Ruhe jetzt«, sagt sie in einem so bestimmten Tonfall, dass wir beide erstarren und uns nur noch feindselig über das kleine Tischchen hinweg anstarren. Sie mustert Anna von oben bis unten, die hektisch an ihrem Pulli herumreibt und sagt lächelnd:
»Habe ich es nicht gesagt? Es fällt alles auf Sie zurück.« Anna presst die Lippen aufeinander und schweigt, während Thekla einen goldenen Kelch in unsere Mitte stellt und sich neben uns niederlässt.
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