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Zauberkusse

Zauberkusse

Titel: Zauberkusse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Voosen Jana
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dich immer lieben« geflüstert zu haben. Vor mich hinstarrend höre ich, wie meine Wohnungstür krachend hinter Gregor ins Schloss fällt. Durch die Stille der Nacht klingen die Schritte seiner schweren Lederstiefel im Treppenhaus zu mir hinauf, immer leiser und leiser. Dann startet vor dem Haus der Motor eines schwarzen BMWs und fährt mit quietschenden Reifen davon, bis ich nichts mehr höre als den Lärm der Autos, die von Zeit zu Zeit die naheliegende Hauptstraße entlang brausen. Das Surren meines Kühlschranks, ein kaum hörbares Klopfen in der Heizung. Und dann zerspringt mein Herz in tausend Scherben.

8.
    »Kann man an gebrochenem Herzen sterben?«
    Kann man an gebrochenem Herzen sterben? Ja, ich glaube, man kann. Judith konnte es. Judith aus »Bianca – Wege zum Glück«, die Mutter aller deutschen Telenovelas. Diese bezaubernde dunkelhaarige Schönheit, die erfahren muss, dass ihr Mann und Vater ihres ungeborenen Kindes eine andere liebt. Bianca, die blonde Schlange. Okay, Bianca war die Hauptfigur und natürlich liebreizend und ganz und gar unschuldig an der ganzen verfahrenen Situation. Geht ja nicht anders. Das haben die Drehbuchautoren sich schon so zurechtgebastelt, dass niemand auf die arme Bianca böse sein konnte. Schließlich hieß das Ganze ja auch »Bianca – Wege zum Glück«. Und nicht »Judith – Weg in den Tod«. Und dass die arme Judith auf der Strecke bleiben musste, tja, so ist das nun mal im Leben, da kann man nichts machen. Armes Ding. Sie war schwanger. Und so verliebt in Oliver. Und so glücklich. Armes, unschuldiges, naives Ding. Sie war so süß, geradezu mit Zuckerguss überzogen. Wochenlang habe ich mich gefragt, wie die Autoren das wieder hinkriegen wollen. Wie soll die Heldin Bianca Oliver kriegen, ohne dabei die Sympathien des Fernsehzuschauers zu verlieren? Wie soll das gehen? Sie macht doch eine Ehe kaputt. Nimmt einem Ungeborenen den Vater weg. Ich war gespannt. Bis zu dem Autounfall, in dem Judith ihr Baby verlor. Zack, so schnell geht das. Dann liegt die Arme da im Bett, nicht lebensgefährlich verletzt, aber psychisch natürlich total labil, hat ja schließlich gerade ein Kind verloren. Und dann kommt Oliver auf die Idee, ihr doch am besten jetzt sofort zu beichten, dass er nicht sie liebt. Sondern eine andere. So frei nach dem Motto, wenn’s dicke kommt, dann aber auch richtig. Und Judith hört sich das an und man konnte richtig sehen, wie es passiert. Wie ihr Herz in der Mitte einfach durchbricht. Da liegt sie mit ihrem gebrochenen Herzen, schließt ihre wunderschönen dunklen Augen und stirbt. Einfach so. Peng!
    Und dann gibt es einen Zeitsprung von einem Jahr, in dem der Oliver dann anstandshalber um seine Frau und das Kind trauert, dann trifft er Bianca wieder, die beiden kommen zusammen, heiraten und werden bestimmt eine glückliche Familie haben. Ende. Alle sind zufrieden. Auch das Publikum. Und die arme Judith, an die denkt keine Sau mehr. Na, was soll’s? Bisschen Schwund ist immer.
     
    Ich bin da ganz anders als der gemeine Fernsehzuschauer. Ich habe Judith nicht vergessen. Ich betrauere noch immer ihren Tod. Und ich habe vor, ihr zu folgen. Denn mein Herz ist auch gebrochen. Eigentlich kann es nicht mehr lange gehen mit mir. Seit einer Woche liege ich jetzt hier im Bett, mit dem gebrochenen Herzen, aber der Tod will und will sich nicht einstellen. Na ja, im Fernsehen wird das ja alles immer verkürzt dargestellt, das ist mir schon klar. Im wirklichen Leben ist das nicht so schön, das merke ich ja jetzt selber. Die Haare werde immer fettiger, die Wohnung immer chaotischer und die Augenringe immer tiefer. Da liegt man, wenn es dann endlich geschafft ist, natürlich nicht mit makellosem Teint zwischen den Kissen. Ich sehe schon ziemlich scheiße aus. Und ich stinke wie ein Iltis. Sieben Tage ohne Dusche oder Deo, das hinterlässt seine Spuren. Ist mir aber egal. Ich will sterben, einfach nur sterben.
     
    Seit einer Woche bin ich im L’Auberge krankgemeldet, aber ich glaube, ich kann sowieso nie wieder arbeiten. Ich kann nie wieder lachen, ich kann nie wieder lieben. Es geht mir einfach nur schlecht. Nachts wälze ich mich in meinem Bett hin und her, die Bilder in meinem Kopf von Gregor und Anna lassen mich nicht zur Ruhe kommen und wenn ich dann doch endlich einschlafe, verfolgen sie mich in meinen Träumen. Das Schlimmste aber ist das Aufwachen am Morgen. Wenn ich die Augen aufschlage und für eine Sekunde nicht weiß, was los ist. Ich spüre meinen

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