Zauberschiffe 01 - Der Ring der Händler
verzweifelt.
Ihre Mutter wirkte bekümmert. »Hätte ich dich nicht letzte Nacht gesehen, betrunken und verwahrlost, würde ich Kyle widersprechen. Ich würde annehmen, dass er viel zu drastisch urteilt.«
Sie seufzte. »Aber ich kann nicht leugnen, was ich mit eigenen Augen gesehen habe. Althea, ich weiß, dass du die Viviace liebst. Wenn dein Vater noch leben würde… Aber darüber brauchen wir nicht nachzugrübeln, denke ich. Stattdessen ist es vielleicht Zeit für dich, sie gehenzulassen. Ich sehe, dass in Wintrow das Zeug zu einem guten Mann steckt. Das Schiff wird ihn gut behandeln. Lass ihn. Es ist Zeit, und zwar mehr als das, dass du vortrittst und deinen angemessenen Platz in Bingtown antrittst.«
»Mein Platz ist an Bord der Viviace «, erklärte Althea schwach.
»Nein«, sagte Kyle, und ihre Mutter bestätigte das mit einem Kopfschütteln.
»Dann habe ich keinen Platz, weder in dieser Familie noch in Bingtown.«
Althea hörte mit einer Art Verwunderung, wie sie diese Worte aussprach. Sie spürte den endgültigen Unterton darin, und es schockierte sie. Die Worte, die sie ausgesprochen hatte, wirkten wie ein Stein, der in einen ruhigen Tümpel fällt.
Sie erreichten sie wie die Kreise auf dem Wasser, und sie veränderten alle Beziehungen, die sie vorher gehabt hatte, veränderten für immer ihre Zukunft. Einen Moment vermochte sie nicht einmal zu atmen.
»Althea? Althea!«
Die Stimme ihrer Mutter schallte laut hinter ihr her. Sie ging die Flure entlang, und ihr Heim kam ihr plötzlich wie ein fremder Ort vor. Es ist Jahre her, begriff sie, dass ich mehr als einen Monat hintereinander hier verbracht habe. Wie lange hing dieser Teppich schon, wie lange waren diese Fliesen gesprungen? Sie wusste es nicht, sie war nicht hier gewesen.
Nein, sie änderte nicht wirklich etwas. Sie hatte hier seit Jahren nicht mehr gelebt. Dieses Haus war schon lange nicht mehr ihr Heim gewesen. Sie nahm einfach nur die Realität zur Kenntnis, statt sich eine zu schaffen. Nur mit ihren Kleidern am Körper trat sie aus der Haustür in die weite Welt hinaus.
»Wenn sie wieder betrunken nach Hause kommt, sperre ich sie für eine Woche in ihr Zimmer ein. Damit werde ich ihr ein für allemal klarmachen, dass ich es nicht hinnehme, wenn sie den Namen der Familie und ihren Ruf in Bingtown beschmutzt.«
Kyle saß jetzt neben Keffria auf der Bank und hatte beschützend den Arm um sie gelegt.
»Halt den Mund, Kyle.«
Ronica Vestrit hörte, wie sie diese Worte barsch, aber ruhig aussprach. Es fiel alles auseinander, ihre Familie, ihr Heim und ihre Träume von der Zukunft. Althea hatte gemeint, was sie sagte. Ronica hatte Ephrons Stimme in ihren Worten gehört. Ihre Tochter würde heute Abend nicht an ihrer Schwelle auftauchen, weder betrunken noch sonstwie. Sie hatte sie verlassen. Und alles, was diesen Idioten, den Keffria unbedingt hatte heiraten müssen, dazu einfiel, war König auf dem Misthaufen zu spielen und Gelegenheit zu suchen, seine neue Autorität unter Beweis zu stellen. Sie seufzte. Vielleicht war dies wenigstens ein Problem, das sie jetzt lösen konnte. Und vielleicht führte diese Lösung auch zur Lösung anderer Probleme. »Kyle. Ich habe vermieden, dies vor Althea zu sagen, weil sie keine Ermutigung zur Rebellion braucht, aber du hast dich heute Morgen wie ein Trottel aufgeführt. Wie du so taktvoll anzumerken beliebtest, kann ich kaum zwischen dir und deinem Sohn intervenieren. Bei meiner Tochter Althea verhält sich das anders. Sie steht nicht unter deiner Gewalt, und deine Bemühungen, sie zu maßregeln, haben mich sehr gestört.«
Sie hatte erwartet, dass er zumindest entschuldigend aussehen würde. Stattdessen setzte er eine beleidigte Miene auf, und sie fragte sich, und das nicht zum ersten Mal, ob sie den gesunden Menschenverstand dieses Mannes vollkommen falsch eingeschätzt hatte, als sie das Familienvermögen ganz und unwiderruflich in die Hände ihrer älteren Tochter gelegt hatte.
Bereits seine ersten Worte bestätigten ihre schlimmsten Befürchtungen. »Ich bin jetzt der Mann in der Familie. Wie kannst du behaupten, dass sie nicht unter meiner Gewalt steht?«
»Sie ist meine Tochter, nicht die deine. Sie ist die Schwester deiner Frau, nicht die deine.«
»Und sie trägt denselben Namen wie ihr beide, und ihr Verhalten zieht diesen Namen in den Schmutz. Wenn ihr, du und Keffria, sie nicht mit vernünftigen Argumenten erreichen könnt, dann werde ich sie mit etwas Nachdrücklicherem im Zaum
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