Zauberschiffe 01 - Der Ring der Händler
als sie die Dokumente aufgesetzt hatte, die die Erbschaft regelten. Jetzt jedoch schien es ihr, als habe Keffria hauptsächlich die Arbeiten im Haus erledigt, Einkaufslisten geschrieben und gesellschaftliche Einladungen vorbereitet.
Dadurch hatte Ronica freie Hand, die Besitztümer wirklich zu leiten. Warum hatte sie nicht gesehen, dass Keffria kaum mehr als eine Platzhalterin war, die den Anweisungen ihrer Mutter folgte und ihrem Ehemann gehorchte, aber selten für sich selbst einstand? Ronica versuchte sich daran zu erinnern, wann Keffria das letzte Mal eine Veränderung vorgeschlagen oder etwas initiiert hatte. Ihr fiel nichts ein.
Aber warum nur, warum kamen ihr diese Einsichten erst jetzt?
Sa möge uns beistehen, dachte sie. Sie hatte ihrer aller Leben in Keffrias Hände gelegt. Nach Sitten und Gebräuchen von Bingtown ging das Eigentum beim Tod eines Mannes an seine Nachfahren über. Nicht an seine Frau, sondern seine Sprösslinge. Oh, Ronica hatte zwar das Recht, die Kontrolle über das zu behalten, was sie mit in die Ehe gebracht hatte, aber davon war nur noch sehr wenig übrig. Ihr Herz verkrampfte sich kurz, als ihr klar wurde, dass jetzt nicht nur ihre jüngere Tochter dem ausgeliefert war, was Kyle für eine Frau als angemessen empfand. Sie selbst war es auch.
Sie sah ihn kurz an und zwang sich dazu, vollkommen ruhig zu bleiben. Ihr blieb nur, Sa anzuflehen, dass Kyle das noch nicht aufgegangen war. Falls er die ganzen Konsequenzen begriff, würde sie vielleicht alles verlieren. Konnte sie nicht auch zum Gehorsam gezwungen werden, wenn sie eine finanzielle Schlinge um den Hals hatte?
Ronica holte tief Luft. Es gelang ihr, ihre Stimme zu kontrollieren. »Das klingt fair«, stimmte sie zu. Sie durfte aber nicht plötzlich zu demütig erscheinen. »Wir werden sehen, ob es sich auch so in der Realität umsetzen lässt.«
Sie seufzte nachdrücklich und rieb sich die Augen, als wäre sie müde. »Es gibt so viele Dinge, an die wir jetzt denken müssen. So viele. Vorläufig überlasse ich Althea euch. Und wie Kyle schon sagte, muss die Viviace so schnell wie möglich in See stechen.
Das, denke ich, ist das wichtigste Anliegen, um das wir uns kümmern müssen. Darf ich fragen, welche Häfen und welche Ladung du für sie ausgesucht hast und wie bald ihr in See stechen wollt?«
Sie hoffte, dass es nicht so klang, als könnte sie seine Abreise kaum noch erwarten. Ihr Verstand suchte bereits fieberhaft nach der besten Möglichkeit, wie sie in seiner Abwesenheit arbeiten würde. Sie konnte zumindest dafür sorgen, dass der Rest ihrer Besitztümer bei ihrem Tod auf Althea überschrieben wurde. Allerdings würde sie das nicht erwähnen. Ihr war plötzlich klargeworden, dass es besser war, Kyle nicht offen zu widersprechen. Und wenn sie mit Keffria allein war, hatte sie vielleicht Zeit, ihre ältere Tochter zu bearbeiten.
Kyle schien sich nur zu gern von ihrer Frage ablenken zu lassen. »Wie du gesagt hast, wir müssen bald segeln – und nicht nur wegen der Finanzen. Je schneller ich Wintrow von den Ablenkungen des Lebens an Land entferne, desto schneller wird er sein Schicksal akzeptieren. Er hat viel zu lernen, und es ist nicht sein Fehler, dass er es erst jetzt tut, da er schon eher ein Mann als ein Junge ist. Er kann gar nicht früh genug damit beginnen.«
Er hielt gerade lange genug inne, dass die beiden Frauen zustimmend nicken konnten. Aber es ärgerte Ronica. Denn er schien damit anzudeuten, dass sie einen Fehler in der Erziehung des Jungen gemacht hatten. Kyle war offensichtlich zufrieden mit ihrer Zustimmung und redete weiter. »Was Häfen und Ladung angeht, nun, wie wir uns alle einig waren, müssen wir mit dem handeln, was am profitabelsten ist.«
Erneut wartete er auf ihr Nicken.
»Und darauf gibt es nur eine Antwort«, erklärte er für sie alle.
»Ich werde die Viviace nach Süden segeln, nach Jamaillia, um das Beste zu laden, was wir uns leisten können. Und dann nach Norden nach Chalced, so schnell wir können.«
»Und die Fracht?«, fragte Ronica mutlos. Sie ahnte bereits, welche Antwort sie erhalten würde.
»Sklaven natürlich. Und zwar gebildete Sklaven. Keine Taschendiebe, Räuber und Mörder, sondern solche, die in Chalced als Lehrer, Aufseher und Kindermädchen teuer verkauft werden. Künstler und Handwerker. Wir müssen Sklaven kaufen, deren Schulden sie auf den Block gebracht haben, nicht die, die wegen ihrer Verbrechen zur Sklaverei verurteilt wurden.«
Er hielt inne, dachte
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