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Zauberschiffe 01 - Der Ring der Händler

Titel: Zauberschiffe 01 - Der Ring der Händler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Ihre Verteidigung war nicht organisiert, sondern es waren schlicht Männer, die nicht sterben wollten.
    Das gelang ihnen jedoch nicht. Die Menge der Leute, die sich den angreifenden Piraten in den Weg gestellt hatten, schmolz rasch zu verschiedenen Grüppchen von Verteidigern zusammen, die von einem unerbittlichen Feind umringt waren.
    Das Ende war vorhersehbar; dieser Kampf war alles andere als spannend. Kennit wandte sich ab. Das Abschlachten von Männern im Dutzend hatte etwas Eintöniges an sich, was ihn anwiderte. Die Schreie, das Blut, das aus ihnen herausspritzte, die letzte, verzweifelte Gegenwehr, das nutzlose Flehen; er kannte es bis zum Erbrechen. Es war erheblich interessanter, die zwei Seeschlangen zu beobachten.
    Er fragte sich, ob sie dieses Schiff schon länger begleitet hatten; vielleicht hatten sie es sogar als eine Art Gefährten betrachtet, jemand oder etwas, das sie auf angenehme Art mit Futter versorgte. Sie hatten sich zurückgezogen, als die Marietta angegriffen hatte, anscheinend erschreckt von dem Gewühl.
    Doch als die Kampfgeräusche und die Schreie der Sterbenden laut wurden, kamen sie schnell zurück. Sie umkreisten die Schiffe wie Hunde, die am Tisch betteln, und rangen miteinander um die beste Position. Noch nie zuvor hatte Kennit die Gelegenheit gehabt, Seeschlangen so lange und aus solcher Nähe zu beobachten. Diese beiden wirkten furchtlos. Die größere leuchtete in einem funkelnden Rot, das mit orangen Flecken durchsetzt war. Als das Ungeheuer Kopf und Hals aus dem Wasser hob und das Maul aufsperrte, stand ein Kranz mit Widerhaken von seinem Hals und seinem Kopf ab wie eine Löwenmähne. Es waren fleischige, unappetitliche Anhängsel, die Kennit an die brennenden Arme einer Seeanemone oder einer Qualle erinnerten. Er hätte sich sehr gewundert, wenn sie nicht mit irgendeinem betäubenden Gift gefüllt gewesen wären.
    Auf jeden Fall vermied es der kleinere türkise Wurm, sie zu berühren, als er mit dem größeren rangelte.
    Was dem kleineren an Größe mangelte, machte er durch Tollkühnheit wett. Er wagte sich weit näher an das Schiff heran, und als er seinen Kopf bis zur Reling des Sklavenschiffs hob, öffnete er das Maul und zeigte zahlreiche Reihen spitzer Zähne. Dabei zischte er und verbreitete eine Wolke giftigen Atems. Diese Wolke hüllte zwei Männer ein, die gerade miteinander kämpften. Beide ließen sofort von ihrem Kampf ab, fielen um und wanden sich am Boden, nach Luft ringend, freilich vergeblich. Ihre Bewegungen erlahmten rasch, während die frustrierte Seeschlange mit ihrem Schwanz das Meer hinter dem Schiff aufschäumte, wütend darüber, dass ihre Beute außer Reichweite an Bord des Schiffes lag. Kennit vermutete, dass sie jung und unerfahren war.
    Die größere Schlange hingegen wirkte irgendwie gleichmütiger. Ihr genügte es, neben dem Sklavenschiff zu warten und die Männer erwartungsvoll zu beobachten, die die Leichname über die Reling warfen. Dann öffnete sie das Maul und nahm in Empfang, was heruntersegelte. Ganz gleich, ob es eine Leiche war oder ein Mensch, der sich noch bewegte. Sie packte den Körper mit dem Maul, hielt sich aber nicht damit auf zu kauen. Ihre Zähne schienen auch nur zum Reißen geeignet zu sein. Diese kleinen Happen jedoch brauchten nicht lange zerstückelt zu werden. Stattdessen warf die Seeschlange ihr Haupt zurück und öffnete das Maul weiter, als Kennit für möglich gehalten hätte. Dann verschwand der Leichnam mitsamt Stiefel und Kleidung darin, und Kennit konnte seinen Weg die Speiseröhre der Kreatur hinunter an der Ausbeulung ihres schlangengleichen Halses verfolgen. Es war ein gleichermaßen abschreckendes und faszinierendes Schauspiel.
    Seine Mannschaft schien seine Ehrfurcht zu teilen, denn als die Schlacht beendet war und es nur noch darum ging, die Leichen zu entsorgen und die unterwürfigen Gefangenen zu befreien, sammelten sie die Seeschlangenhappen auf dem hohen Achterdeck des Sklavenschiffs und fütterten die Bestien abwechselnd von dort oben. Einige der gefesselten Gefangenen weinten und schrien, aber ihre Schreie wurden von den Piraten übertönt, die bei jedem Leichnam, der durch die Luft flog, anerkennend brüllten. Bald machten sie sich einen Spaß daraus, die Leichen nicht einer der beiden Schlangen ins Maul, sondern sie genau zwischen die beiden Kreaturen zu werfen, um zu beobachten, wie die gewaltigen Bestien um das Futter kämpften. Die Männer, die an Bord der Marietta geblieben waren, fühlten sich

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