Zauberschiffe 01 - Der Ring der Händler
verkaufen können. Wir machen das aus reiner Gewinnsucht. Wir sind keine Kindermädchen für kranke Sklaven, von denen mindestens die Hälfte genau dasselbe Schicksal verdient, das die Mannschaft erlitten hat, die du an die Seeschlangen verfüttert hast. Und wir sind auch keine heroischen Retter der Unterdrückten. Piraten, Sorcor, wir sind Piraten.«
»So lautet unsere Abmachung«, erklärte Sorcor hartnäckig.
»Für jedes Zauberschiff, das wir jagen, hetzen wir einen Sklavenhändler. Ihr habt zugestimmt.«
»Allerdings. Ich hatte gehofft, dass du die Vergeblichkeit einsehen würdest, nachdem du dich der Realität deines ersten ›Triumphes‹ gestellt hast. Sieh mal, Sorcor: Nehmen wir einmal an, dass wir unsere Mannschaft und die Vorräte strapazieren, um diese miese Schaluppe nach Divvytown zu schleppen. Glaubst du wirklich, dass uns die Bewohner fröhlich willkommen heißen und sich darüber freuen, dass wir ihnen dreihundertfünfzig halb verhungerte, zerlumpte und kranke arme Teufel an Land setzen, die ihre Stadt als Bettler, Huren und Diebe verpesten? Glaubst du denn, dass diese Sklaven, die wir ›gerettet‹ haben, uns dafür danken, dass wir sie ihrem Schicksal als Ärmste der Armen überantworten?«
»Jetzt jedenfalls sind sie dankbar, der ganze verfluchte Haufen«, erklärte Sorcor eigensinnig. »Und ich habe nicht vergessen, Sir, dass ich damals ebenfalls verdammt dankbar gewesen wäre, irgendwo an Land gesetzt zu werden, mit oder ohne Brot oder einen Fetzen Kleidung, so lange ich ein freier Mann war und saubere Luft atmen konnte.«
»Sehr gut, ganz ausgezeichnet.«
Kennit seufzte vielsagend zum Zeichen seiner Kapitulation. »Lass uns diesen Mist zu Ende führen, wenn es denn unbedingt sein muss. Such dir einen Hafen aus, Sorcor, und wir bringen sie dorthin. Ich möchte nur eins: Auf unserem Weg dahin werden alle, die noch in der Lage sind, anfangen, das Schiff zu säubern. Und ich möchte auch so schnell es irgend geht aufbrechen, solange die Seeschlangen noch satt sind.«
Kennit wandte seinen Blick beiläufig von Sorcor ab.
Es war nicht gut, wenn er sich zu lange in der Dankbarkeit der befreiten Sklaven sonnte. »Ich brauche dich an Bord der Marietta , Sorcor. Übergib Rafo das andere Schiff und teile ihm einige Männer zu.«
Sorcor nahm Haltung an. »Aye, Sir«, antwortete er laut. Den Raum verließ ein ganz anderer Mann als der, der ihn strahlend über seinen Sieg betreten hatte. Leise schloss er die Tür hinter sich. Eine Weile starrte Kennit auf das Holz. Er wusste, dass er die Loyalität des Mannes strapazierte. Das Band, das sie zusammenhielt, wurde hauptsächlich von Sorcors Treue gespeist. Er schüttelte den Kopf. Es war vielleicht sein eigener Fehler. Er hatte einen einfachen, ungebildeten Seemann mit einer Begabung für Zahlen und Navigation in die Position des Ersten Maats erhoben und ihn gelehrt, wie es sich anfühlt, Menschen zu kontrollieren.
Selbständiges Denken war bei diesem Kommando die zwangsläufige Folge. Aber Sorcor dachte allmählich zuviel.
Kennit würde bald entscheiden müssen, was ihm mehr wert war: der Wert des Maats als zweiter Mann auf dem Schiff oder seine, Kennits, vollkommene Kontrolle über Schiff und Mannschaft. Kennit seufzte schwer. In diesem Geschäft stumpften die Werkzeuge einfach zu schnell ab.
13. Übergangszeit
Brashen erwachte mit verquollenen Augen und einem steifen Hals. Die Morgensonne drang durch die dicken Scheiben des großen Panoramafensters, das sich über das eine Ende der Kajüte erstreckte. Es war ein dämmriges Licht, grünlich von den Algen, die sich auf der Außenseite der Scheibe angesammelt hatten, aber trotzdem war es hell. Es genügte jedenfalls, ihm zu sagen, dass es Tag war und er wohl besser aufstehen sollte.
Er schwang sich mit seinen nackten Füßen aus der Hängematte. Schuldig. Er hatte sich irgendetwas zuschulden kommen lassen. Er hatte seine ganze Heuer ausgegeben, obwohl er sich geschworen hatte, diesmal klüger zu sein. Ja, aber diese Gewissensbisse waren ihm schon vertraut. Es gab noch etwas, etwas, das ihm mehr zusetzte. Ach ja. Althea. Das Mädchen war gestern Abend hier gewesen, hatte um seinen Rat gebeten, oder hatte er das nur geträumt? Nein, er hatte ihr seine bittersten Ratschläge vorgehalten, ohne ein Wort des Trostes oder ihr das Angebot zu machen, ihr zu helfen.
Er versuchte, mit einem Schulterzucken seine Besorgnis zu vertreiben. Schließlich und endlich, was schuldete er dem Mädchen? Nichts, gar
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