Zauberschiffe 01 - Der Ring der Händler
nichts! Sie waren nicht mal richtige Freunde gewesen. Dafür war die gesellschaftliche Kluft zwischen ihnen zu groß. Er war nur Maat auf dem Schiff ihres Vaters gewesen, und sie war die Tochter des Kapitäns. Da war für Freundschaft kein Platz. Und was den alten Mann anging, ja, Ephron Vestrit war gut zu ihm gewesen, als kein anderer ihn auch nur gegrüßt hatte, hatte ihm die Gelegenheit gegeben, sich zu beweisen. Doch der alte Mann war jetzt tot.
Außerdem… Auch wenn sein Rat bitter gewesen sein mochte, so war er dennoch zutreffend. Hätte Brashen das Rad der Zeit noch einmal zurückdrehen können, hätte er sich niemals so gegen seinen Vater aufgelehnt. Er hätte die endlos scheinende Schule absolviert, hätte sich bei gesellschaftlichen Anlässen korrekt verhalten, Alkohol und Cindin gemieden und die Frau geheiratet, die seine Eltern für ihn ausgesucht hatten.
Dann wäre er jetzt der Erbe des Trell-Vermögens – und nicht sein kleiner Bruder.
Dieser Gedanke katapultierte ihn ruckartig in die Realität zurück. Da er nicht der Erbe des Trell-Vermögens war, und da es gestern Nacht seine ganze Heuer bis auf ein paar Heller versoffen hatte, sollte er sich lieber um sich selbst kümmern und weniger an Althea denken. Das Mädchen musste auf sich selbst aufpassen. Sie würde nach Hause gehen müssen. Mehr gab es dazu nicht zu sagen. Was war denn das Schlimmste, was ihr passieren konnte? Sie würden sie mit einem passenden Mann verheiraten. Sie würde in einem bequemen Heim leben, mit Dienern und reichlich Essen, würde speziell für sie geschneiderte Kleidung tragen und auf Bälle, Teeempfänge und Wohltätigkeitsveranstaltungen gehen, die so wichtig für die Gesellschaft von Bingtown und die Händler im Besonderen waren. Er schnaubte verächtlich. Er könnte von Glück reden, wenn ihm ein derart schreckliches Schicksal widerfahren würde.
Er kratzte sich die Brust und dann den Bart, fuhr mit beiden Händen durch sein Haar und rieb sich dann das Gesicht. Es wurde Zeit, Arbeit zu suchen. Am besten wusch er sich und ging dann zu den Docks.
»Guten Morgen«, begrüßte er Paragon, als er zum Bug des Schiffes ging.
Die Galionsfigur wirkte so, als wäre ihr ständig unbehaglich zumute, gefesselt an den Bug des auf der Seite liegenden Schiffes. Brashen überlegte plötzlich, ob ihm wohl der Rücken weh tat, aber er hatte nicht den Mut zu fragen. Paragon hatte seine muskulösen Arme vor der nackten Brust verschränkt, während er sein Gesicht der glitzernden Wasserstraße zugewandt hatte, über die die anderen Schiffe den Hafen anliefen und verließen. Er drehte sich nicht einmal zu Brashen um. »Guten Tag«, verbesserte er ihn.
»Stimmt«, meinte Brashen. »Es ist allerhöchste Zeit, dass ich mich zum Hafen aufmache. Ich muss mir eine neue Arbeit suchen, weißt du.«
»Ich glaube nicht, dass sie nach Hause gegangen ist«, erwiderte Paragon. »Wenn sie nach Hause gegangen wäre, hätte sie ihren alten Weg genommen, die Kliffe hinauf und durch die Wälder. Stattdessen habe ich gehört, wie sie über den Strand zur Stadt gegangen ist, nachdem sie sich verabschiedet hat.«
»Althea, meinst du?«, fragte Brashen. Er versuchte, möglichst unbeschwert zu klingen.
Der blinde Paragon nickte. »Sie ist bei Morgengrauen aufgestanden.«
Seine Worte klangen beinahe tadelnd. »Ich habe gerade die ersten Vögel zwitschern hören, als sie sich rührte und herauskam. Dabei hat sie letzte Nacht nicht viel geschlafen.«
»Klar. Sie hatte viel zum Nachdenken. Sie mag ja heute Morgen in die Stadt gegangen sein, aber ich vermute, dass sie nach Hause schleicht, bevor die Woche verstrichen ist. Wohin sonst könnte sie sich wenden?«
»Vermutlich nur hierher«, antwortete das Schiff. »Also. Du suchst dir heute Arbeit?«
»Wenn ich essen will, muss ich arbeiten«, bestätigte Brashen.
»Deshalb gehe ich zum Hafen hinunter. Ich werde es wohl mit der Fischereiflotte oder mit den Schlachterbooten versuchen, statt mit den Handelsschiffen. Ich habe gehört, dass man auf einem Walfänger oder einem Thunfischboot schnell aufsteigen kann. Und sie stellen auch ohne viel Fragen Leute an. Jedenfalls habe ich das gehört.«
»Hauptsächlich, weil so viele von ihnen sterben«, bemerkte Paragon unbarmherzig. »Das habe ich jedenfalls gehört, als ich noch in der Lage war, mir solchen Klatsch anzuhören. Sie sind zu lange auf See und beladen ihre Schiffe zu schwer und heuern auch mehr Matrosen an, als sie für den Betrieb des Schiffes
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