Zauberschiffe 01 - Der Ring der Händler
in dieser miesen kleinen Siedlung genug Gold für ein vernünftiges Angebot besaß. Aber er war fest entschlossen, das beste Angebot anzunehmen und damit sowohl das stinkende Schiff als auch die Sklaven los zu werden. Er verkniff es sich, darüber nachzudenken, wieviel die Ladung gebracht hätte, wenn er Sorcor gezwungen hätte, seinen Vorschlag zu akzeptieren und nach Chalced zu segeln, um sie dort zu verkaufen. Diese Gelegenheit war verstrichen, und es war sinnlos, sich damit aufzuhalten.
Plötzlich bewegten sich von den Piers aus mehrere Boote hastig auf die Fortune zu. Die Sklaven drängten sich bereits an der Reling und warteten darauf, von ihrem schwimmenden Gefängnis herunterzukommen. Kennit hatte nicht erwartet, dass die Stadtbewohner dieses Gesindel so herzlich begrüßen würden. Aber um so besser. Je schneller die Fortune entladen und verkauft wurde, desto eher konnten sie sich wieder gewinnbringenderen Geschäften zuwenden. Er drehte sich um und gab dem Schiffsjungen den knappen Befehl, ihn nicht zu stören. Er hatte nicht unbedingt das Verlangen, Askew zu besuchen. Sollten doch die Sklaven zuerst gehen – und Sorcor.
Er wollte abwarten, was für ein Willkommen ihnen bereitet wurde.
Stattdessen studierte er einige Stunden die ausgezeichneten Seekarten, die sich an Bord der Fortune befunden hatten. Sorcor hatte die Karten und die Unterlagen vollkommen übersehen, die in einem Geheimfach in der Kapitänskajüte versteckt gewesen waren. Erst als Kennit letztlich doch seiner Neugier nachgegeben und dem Sklavenschiff einen persönlichen Besuch abgestattet hatte, hatte er sie entdeckt. Die Dokumente interessierten ihn nur wenig, weil sie sich lediglich auf die persönlichen Gewinne des Mannes und seine Besitztümer bezogen. Allerdings fiel ihm bei der flüchtigen Lektüre auf, dass der Mann gut für seine Frau und sein Kind gesorgt hatte. Die Karten jedoch waren eine ganz andere Angelegenheit. Als Kennit sie studierte, wurde ihm klar, dass seine Erwartungen wohlbegründet gewesen waren. Karten bedeuten Reichtum. Die Informationen, die sie hergaben, konnten oft nur unter hohen Kosten beschafft werden, und sie wurden nicht so einfach an konkurrierende Händler oder Seeleute weitergegeben. Die Karten des Sklavenhändlers zeigten nur die offensichtliche Passage an den Pirateninseln vorbei. Es gab zwar einige Notizen über Gerüchte von anderen Kanälen, aber von den inländischen Wasserwegen der Inseln waren nur wenige auf der Karte verzeichnet. Sieben Piratensiedlungen waren ebenfalls eingezeichnet, bei zweien stimmte die Lage nicht, und eine dritte war schon lange aufgegeben worden, weil sie zu dicht an der Route der Sklavenschiffe lag. Denn Sklavenhändler sahen keinen Grund, nicht einfach Piratensiedlungen zu überfallen, um zusätzliche Ladung an Bord zu nehmen, wenn sie schon mal dran vorbeifuhren. Das war einer der Gründe, warum Sorcor sie hasste. Trotz dieser offenkundigen Mängel war es eine sehr exakte Karte des Hauptkanals.
Kennit blieb eine Weile auf seinem Stuhl sitzen und sah nachdenklich den Wolken nach, die vor seinem Fenster vorbeizogen. Er konnte diese Karte als den momentanen Wissensstand der Sklavenhändler betrachten, was die Pirateninseln und die Passagen anging. Also, wenn ein Mann die Kontrolle über den Hauptkanal erlangte, konnte er den gesamten Handel zum Erliegen bringen. Die Sklavenschiffe hatten nicht die Zeit, andere Routen zu suchen oder zu erforschen. Vielleicht galt dasselbe ja auch für Zauberschiffe.
Einen Moment versuchte er, sich das einzureden, doch dann schüttelte er zögernd den Kopf. Die Zauberschiffe und ihre Familien kreuzten schon viel länger in diesen Gewässern als die Sklavenhändler. Und außerdem: Der chalcedeanische Sklavenhandel hatte die Piraten und ihre Siedlungen überhaupt erst hervorgebracht. Also musste er annehmen, dass die meisten Händlersippen sich besser in diesen Gewässern auskannten als die Sklavenhändler. Warum hatten sie dieses Wissen nicht mit den anderen geteilt? Die Antwort lag auf der Hand. Kein Händler teilte freiwillig seinen eigenen Vorteil mit einem Konkurrenten. Kennit lehnte sich auf dem Stuhl zurück. Also, was hatte er wirklich herausgefunden? Nichts, was er nicht schon gewusst hätte. Sklavenschiffe waren einfacher zu kapern als Zauberschiffe. Aber das bedeutete noch lange nicht, dass es unmöglich war, ein Lebensschiff zu erobern, sondern nur, dass er sorgfältiger darüber nachdenken musste.
Er dachte unwillkürlich
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