Zauberschiffe 01 - Der Ring der Händler
Meer von ausgemergelten Leibern reichte so weit, wie er sehen konnte. Bis auf die Sklaven war der Laderaum leer. Sie lagen auf den Planken. Ein paar Halme schmutzigen Strohs in den Ecken kündeten von altem Bettzeug.
Das Innere des Schiffes war ebenfalls mit Seewasser ausgespült und geschrubbt worden, aber das uringetränkte Holz und die widerliche Bilge in der Tiefe würden ihren ekelhaften Gestank nicht so schnell verlieren. Die stechende Ausdünstung des Ammoniak ließ ihm die Tränen über die Wangen laufen. Er ignorierte sie und hoffte, dass man sie in der Dunkelheit nicht sehen konnte. Er biss die Zähne zusammen und atmete so flach wie möglich. Nichts hätte er lieber gewollt, als diesen Laderaum zu verlassen, aber er zwang sich dazu, einmal durch den ganzen Frachtraum zu gehen.
Die armseligen Kreaturen rückten näher, als er an ihnen vorbeiging, und sprachen leise miteinander. Ihm stand das Nackenhaar zu Berge, aber er weigerte sich standhaft, sich umzudrehen und herauszufinden, wie dicht sie ihm folgten. Eine Frau, die mutiger oder dümmer war als die anderen, trat vor ihn hin. Plötzlich hielt sie ihm ein zerlumptes Bündel entgegen, das sie bis dahin fest umklammert hatte. Fast gegen seinen Willen warf er einen Blick darauf und sah das Baby, das darin lag. »Auf dem Schiff geboren«, erklärte sie heiser. »In Sklaverei geboren, aber von Euch befreit.«
Mit dem Finger berührte sie das bläuliche »X«, das ein eifriger Sklaventreiber dem Baby bereits neben der Nase eingebrannt hatte. Sie sah Kennit an, und ihr Blick strahlte etwas Wildes aus. »Was könnte ich Euch zum Dank anbieten?«
Kennit fühlte, wie ihm allmählich die Kontrolle über seinen Magenschließmuskel schwand. Der Gedanke an das Einzige, was sie ihm vielleicht anbieten würde, jagte ihm eisige Schauer über den Rücken. Ihr Atem roch nach verrotteten Zähnen, die vermutlich lose in ihrem Zahnfleisch baumelten. Er versuchte zu lächeln, was ihm gründlich misslang. »Nennt das Kind Sorcor. Für mich«, schlug er erstickt vor. Sie schien seinen Sarkasmus nicht begriffen zu haben, denn sie segnete ihn, als sie strahlend zurücktrat und den mageren Säugling umarmte. Der Rest der Meute rückte näher, und einige Stimmen waren deutlich zu unterscheiden. »Kapitän Kennit! Kapitän Kennit!«
Er zwang sich dazu, stehenzubleiben und nicht zurückzuweichen. Stattdessen bedeutete er dem Seemann, ihm mit der Laterne vorauszugehen, und befahl ihm flüsternd:
»Genug. Ich habe genug gesehen.«
Er konnte den Ekel in seiner Stimme nicht unterdrücken. Mit der einen Hand presste er sich das parfümierte Taschentuch ans Gesicht und kletterte so rasch es ging die Leiter hinauf.
Wieder auf Deck brauchte er einen Moment, um die Kontrolle über seinen außer Rand und Band geratenen Magen wiederzuerlangen. Er setzte eine unbewegliche Miene auf und starrte zum Horizont, bis er sicher war, dass er kein Zeichen von Schwäche mehr zeigte. Dann zwang er sich dazu, die Beute zu überdenken, die ihm Sorcor da ins Nest gelegt hatte. Das Schiff war zwar solide, aber er würde niemals einen vernünftigen Preis dafür erzielen, jedenfalls nicht, wenn der Käufer noch so etwas wie eine Nase im Gesicht hatte. »Eine Verschwendung«, knurrte er wütend, »was für eine Verschwendung!«
Er befahl seinen Leuten auf der Gig, ihn zur Marietta zurückzubringen.
In diesem Moment hatte er sich entschlossen, nach Askew zu segeln. Wenn das Schiff schon keinen guten Preis bringen würde, dann wollte er sich wenigstens schnellstens seiner entledigen und sich wieder um andere Dinge kümmern.
Erst am späten Nachmittag beschloss Kennit, Askew höchstpersönlich einen Besuch abzustatten. Es ist sicher amüsant, dachte er, zu sehen, wie Sorcors befreite Sklaven auf die Stadt reagierten und wie die Bewohner diesen plötzlichen Anstieg der Bevölkerungszahl beurteilten. Vielleicht hatte sein Erster Maat ja mittlerweile die Verrücktheit seiner Wohltaten eingesehen.
Er erklärte dem Schiffsjungen seine Absicht, der die Nachricht schnellstens verkündete. Als Kennit sein Haar geglättet und seinen Hut aufgesetzt hatte und seine Kajüte verließ, wurde die Gig bereits zu Wasser gelassen. Die Seeleute, die sie bemannen sollten, benahmen sich wie Hunde, mit denen man spazierengehen wollte. Jede Stadt, jeder Landgang, war eine willkommene Abwechslung für sie. Obwohl er seinen Befehl eben erst gegeben hatte, war es allen Matrosen gelungen, sich ein frischeres Hemd anzuziehen. Und
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