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Zauberschiffe 01 - Der Ring der Händler

Titel: Zauberschiffe 01 - Der Ring der Händler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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nicht einmal eine Kerze gelassen. Wintrow tastete sich durch die Dunkelheit, bis er auf seine Hängematte stieß. Umständlich wuchtete er seinen steifen Körper hinein und versuchte, es sich einigermaßen bequem zu machen. Dann blieb er still liegen. Um ihn herum bewegte sich das Schiff sanft in der Dünung des Hafens, und die Geräusche drangen nur gedämpft zu ihm. Er gähnte ausgiebig, und die Wirkung der ausgiebigen Mahlzeit und des langen, harten Arbeitstages überwanden sowohl seinen Ärger als auch seine Verzweiflung.
    Aus langer Gewohnheit bereitete er seinen Körper und seinen Geist für die Ruhe vor. Soweit es seine Hängematte gestattete, streckte er die großen und kleinen Muskeln seines Körpers und versuchte, sie alle zu entspannen, bevor er einschlief.
    Die mentalen Übungen waren schwieriger. Als er zum ersten Mal in das Kloster gekommen war, hatten sie ihn ein sehr einfaches Ritual gelehrt. Sie nannten es: Verzeihe dem Tag. Es war kinderleicht und erforderte nur, dass er sich an den Tag erinnerte und die gesamten Schmerzen des Tages als etwas Vergangenes auflöste und sich stattdessen an die Gewinne der Lektionen erinnerte, die er erhalten hatte, oder an die Momente der Einsicht. Wenn die Anfänger im Sinne von Sa aufwuchsen, wurde von ihnen erwartet, dass sie an dieser Übung weiter feilten, lernten, den Tag auszugleichen, dass sie Verantwortung für ihre eigenen Taten übernahmen und von ihnen lernten, ohne sich Schuldgefühlen oder Bedauern hinzugeben. Heute Nacht fühlte sich Wintrow dazu allerdings nicht in der Lage.
    Merkwürdig. Wie einfach es gewesen war, in den ruhig strukturierten Tagen des Klosters Sas Wege zu lieben und die Meditationen auszuüben. Innerhalb der massiven Steinmauern war es leicht, die unterschwellige Ordnung der Welt zu erkennen; es war ihm leichtgefallen, das Leben der Farmer, Schäfer und Händler zu betrachten und zu erkennen, wieviel von ihrem Elend sie selbst verschuldet hatten. Jetzt jedoch steckte er mittendrin. Er konnte zwar noch etwas von dem Muster erkennen, aber er fühlte sich zu müde, um es zu untersuchen und herauszufinden, wie er es zu ändern vermochte. Er war in den Fäden seines eigenen Strickmusters gefangen. »Ich weiß nicht, wie ich es aufhören lassen kann«, sagte er leise in die Dunkelheit. Und traurig wie ein verlassenes Kind fragte er sich, ob seine Meister ihn wohl vermissten.
    Er erinnerte sich an den letzten Morgen in dem Kloster, an den Baum, der aus den Scherben des gefärbten Glases zu ihm gekommen war. Er hatte immer einen heimlichen Stolz auf seine Fähigkeit empfunden, Schönheit herbeizurufen und sie zu bewahren. Aber war es denn überhaupt seine Fähigkeit? Oder war sie in Wirklichkeit von seinen Lehrern geschaffen worden, die ihn von der Welt isoliert und ihm sowohl den Ort als auch die Zeit geschenkt hatten, wo er arbeiten konnte? Vielleicht konnte das ja jeder schaffen, wenn er sich in der richtigen Umgebung aufhielt. Vielleicht war das einzig Bemerkenswerte an ihm, dass man ihm überhaupt die Chance geboten hatte.
    Einen Augenblick wurde er von seiner eigenen Gewöhnlichkeit überwältigt. An Wintrow war nichts Bemerkenswertes. Er war ein unbedeutender Schiffsjunge, ein ungeschickter Matrose.
    Nicht einmal der Rede wert. Er würde in der Zeit verschwinden, als wäre er niemals geboren worden. Er konnte beinahe fühlen, wie er sich in der Dunkelheit auflöste. Nein. Nein! Er würde es nicht soweit kommen lassen. Er konnte sich an sich festhalten und kämpfen, und dann würde etwas passieren, irgendetwas.
    Würde das Kloster nicht jemanden schicken, der nach ihm fragte, wenn er nicht zurückkehrte? »Ich glaube, ich hoffe, gerettet zu werden«, stellte er müde fest. Da. Das war doch ein hochgestecktes Ziel. Am Leben zu bleiben, er selbst zu bleiben, bis jemand anders ihn retten konnte. Er war nicht sicher, ob… ob… ob… Es war der Anfang eines Gedankens gewesen, aber die aufwallende Schwärze des Schlafes verschluckte ihn.

    In der Dunkelheit des Hafens seufzte Viviace. Sie verschränkte ihre schlanken Arme vor ihren Brüsten und starrte zu den hellen Lichtern des Nachtmarktes hinauf. Sie war so in ihren Gedanken versunken, dass sie hochschreckte, als eine weiche Hand ihre Planken berührte. »Ronica!«, rief sie freudig überrascht.
    »Ja. Shh! Ich möchte gern leise mit dir sprechen.«
    »Wenn du es wünschst«, erwiderte Viviace leise und interessiert.
    »Ich muss wissen… ich meine, Althea hat mir eine Nachricht

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