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Zauberschiffe 01 - Der Ring der Händler

Titel: Zauberschiffe 01 - Der Ring der Händler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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angedeihen lassen. Sie wandte sich um und betrachtete den Fremden in ihrem Bett. Sie wollte leugnen, dass er jemals solche Worte gesprochen hatte, wollte so tun, als würden sie seine Gefühle nicht wirklich widerspiegeln, sondern als habe er sie nur aus Bosheit ausgesprochen. Doch innerlich fror sie. Boshaft und wahrhaft, lief das nicht auf dasselbe hinaus? Er war nicht der Mann, für den sie ihn immer gehalten hatte. All die Jahre war sie mit einer Phantasie verheiratet gewesen, nicht mit einem realen Menschen. Sie hatte sich einen Ehemann zurechtgebastelt, einen zärtlichen, liebenden, lachenden Mann, der nur so viele Monate wegblieb, weil er musste, und sie hatte Kyles Gesicht auf diese Schöpfung gemalt. Es war einfach genug, einen kleinen Fehler zu ignorieren oder zu entschuldigen oder sogar ein Dutzend, wenn er einen kurzen Aufenthalt zu Hause machte.
    Sie war immer in der Lage gewesen zu tun, als wäre er müde, vorzuschieben, dass die Reise lang und hart gewesen war und dass sie sich einfach wieder aneinander gewöhnen mussten.
    Trotz all der Dinge, die er in der Woche seit dem Tod ihres Vaters gesagt oder getan hatte, hatte sie ihn weiter so behandelt, als wäre er der Mann, den sie in ihrer Phantasie geschaffen hatte. Die Wahrheit war, dass er niemals die romantische Gestalt gewesen war, die ihre Einbildung aus ihm gemacht hatte. Er war nur ein Mann wie alle anderen auch. Nein, das stimmte nicht ganz. Er war dümmer als die meisten anderen.
    Er war dumm genug zu glauben, dass sie ihm gehorchen musste. Selbst wenn sie es besser wusste und selbst, wenn er nicht da war, um ihr widersprechen zu können. Als ihr das klar wurde, kam es ihr vor, als öffnete sie die Augen und nehme einen Sonnenaufgang wahr. Wieso war ihr das niemals zuvor klargeworden?
    Vielleicht spürte Kyle, dass er etwas zu weit gegangen war. Er rollte sich zu ihr hin, streckte die Hand aus und berührte ihre Schulter. »Komm her«, bat er sie tröstend. »Sei nicht beleidigt. Nicht in meiner letzten Nacht zu Hause. Vertrau mir. Wenn alles auf dieser Reise so läuft, wie es sollte, werde ich zu Hause bleiben können, wenn wir das nächste Mal in den Hafen einlaufen. Ich werde hier sein, um dir das alles von den Schultern zu nehmen. Malta, Seiden, das Schiff, die Unternehmungen… Ich werde alles in Ordnung bringen und die Geschäfte so führen, wie sie schon immer hätten geführt werden sollen. Du warst immer schon scheu und rückständig. Ich sollte das nicht so sagen, als wäre das etwas an dir, was du ändern könntest. Du sollst nur wissen, dass ich verstehe, wie schwer es ist, dass du trotz allem versucht hast, die Dinge zu regeln. Wenn es jemandes Schuld ist, dann ist es meine, weil ich zugelassen habe, dass du dich all die Jahre damit herumplagst.«
    Wie betäubt ließ sie es zu, dass er sie an sich zog und sich dann an sie schmiegte, um zu schlafen. Was vorher seine Wärme gewesen war, erschien ihr nun plötzlich wie eine Bürde, die sie unterdrückte. Und die Versprechungen, die er ihr gemacht hatte, um sie zu beruhigen, klangen in ihren Ohren eher wie eine Drohung.

    Ronica Vestrit öffnete die Augen und sah sich in ihrem schattigen Schlafzimmer um. Ihr Fenster stand offen, und die Gazevorhänge bewegten sich sacht im Wind. Ich schlafe jetzt wie eine alte Frau , dachte sie. In kurzen Anfällen und schrecke immer wieder hoch. Es ist kein Schlafen und kein Wachen, und es ist erst recht keine Ruhe. Sie ließ die Lider langsam wieder herabsinken. Vielleicht kam das noch von all den Monaten Krankenwache neben Ephrons Bett, als sie es nicht gewagt hatte, zu tief zu schlafen. Wenn er sich bewegt hatte, war sie sofort wach geworden. Vielleicht würde sie es ja im Laufe der folgenden einsamen Monate wieder lernen, tief und fest zu schlafen. Aber irgendwie bezweifelte sie das.
    »Mutter.«
    Es war ein Flüstern so leise wie das Seufzen eines Geistes.
    »Ja, Liebes. Mutter ist hier«, antwortete Ronica leise. Sie öffnete die Augen nicht. Sie kannte diese Stimmen, kannte sie seit Jahren. Ihre kleinen Söhne riefen manchmal in der Dunkelheit nach ihr. So schmerzhaft solche Phantasien auch waren, sie wollte nicht die Augen öffnen und sie vertreiben.
    Man griff nach jedem Trost, den man bekommen konnte, selbst wenn er scharfe Kanten hatte.
    »Mutter, ich brauche deine Hilfe.«
    Ronica öffnete langsam die Augen. »Althea?«, flüsterte sie in die Dunkelheit. Stand da eine Gestalt vor dem Fenster hinter den Vorhängen? Oder war das nur eine

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