Zauberschiffe 01 - Der Ring der Händler
Caolwn sprach auch nicht mit Ronica darüber, wie das Leid Furchen in ihr Gesicht gegraben und ihr Haar hatte ergrauen lassen, oder davon, wie die Jahre ihre Wangen hatten einfallen lassen und die weiche Haut unter ihrem Hals gezeichnet hatten.
Ronica vermied es, auf die schuppigen Geschwüre zu starren, die Caolwns Augen zuzuwuchern drohten, oder auf die Klumpen, die selbst in dem Scheitel ihres dichten, bronzefarbenen Haars zu sehen waren. Die Freundlichkeit des gedämpften Kerzenlichts milderte diese Narben zwar, konnte sie aber nicht verbergen. Wie die Vereinbarung, so waren auch dies sichtbare Male, die sie einfach aufgrund dessen trugen, wer sie waren.
Sie tranken gemeinsam Tee und genossen das Essen. Das schwere Silberbesteck klirrte auf dem feinen Porzellan, während draußen eine Sommerbrise Ronicas Windspiel erklingen ließ, ein silberheller Kontrapunkt zu ihrem Gespräch. Während des Essens waren sie Nachbarn, die einen gepflegten Abend mit gutem Essen und intelligenter Konversation genossen. Denn auch dies gehörte zur Vereinbarung. Trotz der Entfernung und der Unterschiede, die diese beiden Gruppen von Siedlern trennten, erinnerten sich beide, Bingtown-Händler und Regenwildnishändler, dass sie gemeinsam an die Verwunschenen Ufer gekommen waren, Partner, Freunde und Verwandte. Und so sollte es bleiben.
Die Frauen beendeten ihre Mahlzeit, tranken den letzten Schluck Tee und schwiegen dann eine Weile. Erst jetzt kam die Zeit, den eigentlichen Grund für Caolwns Besuch anzusprechen. Caolwn holte tief Luft und begann die Zeremonie der Verhandlung. Vor langer Zeit hatten die Bingtown-Händler begriffen, dass man auf diese Art am besten Geschäft und Vergnügen trennen konnte. Der Wechsel in der Sprache verneinte nicht die Freundschaft, die diese beiden Frauen füreinander empfanden, aber er erkannte an, dass in Geschäftsverhandlungen andere Regeln herrschten und von allen beachtet werden mussten. Es war eine Vorsichtsmaßnahme für diese kleine Gemeinschaft, in der Freunde und Verwandte auch Geschäftspartner waren. »Das Lebensschiff Viviace ist erwacht. Ist sie das, was versprochen worden ist?«
Trotz ihres Leids stahl sich ein aufrichtiges Lächeln auf Ronicas Lippen. »Sie ist alles, was man versprochen hat, und das erkennen wir freiwillig an.«
»Dann freuen wir uns, das zu akzeptieren, was uns für sie versprochen wurde.«
»Wie wir uns freuen, es darzubieten.«
Ronica holte Luft und wünschte sich plötzlich, dass sie das Thema mit den fehlenden Scheffeln schon früher zur Sprache gebracht hätte. Aber es wäre weder korrekt noch fair gewesen, dies zu einem Bestandteil ihrer Freundschaft zu machen. So hart es auch war, es auszusprechen, jetzt war der richtige Augenblick dafür. Sie suchte nach Worten für diese ungewöhnliche Situation. »Wir geben auch bekannt, dass wir Euch diesmal mehr schulden, als wir sammeln konnten.«
Ronica zwang sich, gerade sitzen zu bleiben und nicht auf die Überraschung in den lavendelfarbenen Augen von Caolwn zu reagieren. »Uns fehlen zwei volle Scheffel. Wir möchten darum bitten, dass diese zusätzliche Summe bis zu unserem nächsten Treffen aufgeschoben wird, bei dem wir, das versichere ich Euch, alles zahlen, was wir schulden, zuzüglich der beiden Scheffel und einem Viertel Scheffel zusätzlicher Zinsen.«
Ein langes Schweigen folgte, während Caolwn nachdachte. Sie wussten beide, dass das Gesetz von Bingtown ihr sehr viel Freiraum ließ, was sie als Zinsen für Ronicas nicht erfolgte Zahlung fordern konnte. Ronica war darauf vorbereitet, dass sie zwei volle zusätzliche Scheffel als Zinsen forderte. Und sie hoffte, dass sie sich auf anderthalb Scheffel einigen konnten.
Selbst das würde ihren Erfindungsreichtum bis an seine Grenzen strapazieren. Aber als Caolwn sprach, gefror Ronica das Blut in den Adern. »Blut oder Geld, die Schuld wird geschuldet«, intonierte Caolwn.
Ronica blieb fast das Herz stehen. Was konnte sie meinen?
Keine der Antworten, die ihr in den Sinn kamen, gefiel ihr sonderlich. Sie versuche, ihre Stimme gelassen klingen zu lassen, und erinnerte sich streng daran, dass ein Handel zwar ein Handel war, aber dass man immer versuchen konnte, bessere Bedingungen herauszuholen. Sie entschied sich für die unwahrscheinliche Möglichkeit. »Ich bin gerade erst Witwe geworden«, sagte sie. »Und selbst wenn ich Zeit gehabt hätte, meine Trauer zu beenden, bin ich für diese Versprechen schwerlich geeignet. Ich bin zu alt, um jemandem
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