Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Zauberschiffe 01 - Der Ring der Händler

Titel: Zauberschiffe 01 - Der Ring der Händler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
Vom Netzwerk:
verstehen würde. Nein, sie wusste, dass das Schiff verstehen würde. Sie hatte immer die Vorstellung gehasst, dass Kyle das Familienschiff befehligte. Jetzt, da die Viviace erwacht und bei Bewusstsein war, war ihr dieser Gedanke noch mehr zuwider. Es war schlimmer als ein Kind in der Obhut einer Person zu lassen, die man verachtete. Aber gleichzeitig wusste sie auch, dass sie nichts dagegen tun konnte. Jedenfalls vorerst nicht.
    Der Schiffsagent hatte ein winziges Büro direkt an den Hafenanlagen. Er war ziemlich überrascht gewesen, Brashen an seinem Tresen lehnen zu sehen, den Seesack über die Schulter geschlungen.
    »Ja?«, fragte er höflich. Brashen erinnerte der Mann an ein wohlerzogenes Backenhörnchen. Das musste an seinem aufgeplusterten Backenbart liegen und daran, wie aufrecht er sich auf seinem Stuhl hinsetzte. »Ich komme, um meine Bezahlung abzuholen«, sagte Brashen ruhig.
    Der Mann drehte sich zu einem Regal um und betrachtete mehrere Bücher, bevor er einen dicken Ordner herauszog. »Ich habe gehört, dass Kapitän Vestrit auf sein Schiff gebracht worden ist«, bemerkte er umständlich, während er das Buch aufschlug und mit dem Finger eine Reihe von Namen hinunterfuhr. Dann blickte er hoch und sah Brashen in die Augen. »Ihr wart lange bei ihm. Ich hätte gedacht, dass Ihr bis zum Ende bei ihm bleiben wollt.«
    »Das habe ich auch getan«, erwiderte Brashen knapp. »Mein Kapitän ist tot. Die Viviace ist jetzt Kapitän Havens Schiff, und wir haben nicht viel füreinander übrig. Ich wurde entlassen.«
    Er schaffte es zu seiner eigenen Verwunderung, seine Stimme genauso leise und freundlich klingen zu lassen wie das Backenhörnchen.
    Der Agent runzelte die Stirn. »Aber seine Tochter übernimmt doch sicher das Kommando? Er hat sie doch seit Jahren dafür ausgebildet. Die jüngere meine ich, Althea Vestrit?«
    Brashen schnaubte verächtlich. »Ihr seit nicht der einzige, der vom Gegenteil überrascht wurde. Einschließlich von Miss Vestrit selbst, zu ihrem allergrößten Entsetzen.«
    Ihm fiel auf, dass er schon zuviel vom Leid eines anderen preisgegeben hatte, und fuhr fort: »Ich bin nur wegen meiner Heuer hier, Sir, nicht um über meine Vorgesetzten zu klatschen. Achtet bitte nicht auf die Worte eines ärgerlichen Mannes.«
    »Gut gesprochen, und ich werde mich daran halten«, versicherte ihm der Agent. Er nahm Geld aus einer Kassette und stellte drei niedrige Stapel Münzen auf den Tresen vor Brashen hin. Der betrachtete das Geld. Es war erheblich weniger als die Summe, die er als Erster Maat unter Kapitän Vestrit bekommen hatte. Nun, so war es eben.
    Plötzlich fiel ihm ein, dass er noch nach etwas anderem fragen sollte. »Ich brauche auch ein Schiffszeugnis«, fügte er gedehnt hinzu. Er hätte niemals gedacht, dass er einmal um eins von der Viviace bitten müsste. Vor einigen Jahren hatte er sogar seine alten Zeugnisse weggeworfen, weil er überzeugt war, dass er niemals wieder jemanden von seinen Fähigkeiten überzeugen musste. Jetzt wünschte er, dass er sie behalten hätte. Es war eine einfache Angelegenheit, kleine Lederfetzen, in die der Schiffsstempel eingeprägt worden war, zusammen mit dem Namen des Seemanns und manchmal auch seiner Position, um zu zeigen, dass er seinen Pflichten genügt hatte. Eine Handvoll Schiffszeugnisse machten es viel einfacher, eine neue Anstellung zu bekommen. Und welche von einem Zauberschiff hatten selbst in Bingtown einiges Gewicht.
    »Das müsst Ihr Euch von eurem Kapitän oder Ersten Maat holen«, meinte der Schiffsagent nachdrücklich.
    »Hm. Dann besteht wenig Hoffnung.«
    Brashen fühlte sich plötzlich betrogen. All diese Jahre hatte er gute Dienste auf dem Schiff geleistet, und dieser Stapel Münzen war alles, was er vorzuweisen hatte.
    Der Vermittler räusperte sich plötzlich. »Es ist wohlbekannt – und sicher nicht nur mir –, dass Kapitän Vestrit Euch und Eure Arbeit hochgeachtet hat. Wenn Ihr eine Empfehlung braucht, dann könnt Ihr die Leute jederzeit hierherschicken, in mein Büro. Nyle Hashett. Ich werde dafür sorgen, dass sie ein ehrliches Wort von mir zu hören bekommen.«
    »Danke, Sir«, sagte Brashen demütig. Es war zwar kein Schiffszeugnis, aber es war wenigstens etwas. Er brauchte einen Moment, bis er die Münzen verstaut hatte. Einige in seine Börse, andere in seinen Stiefel und den Rest in das Halstuch, das er sich eng um den Hals schlang. Es war ja nicht nötig, sich von einem Taschendieb alles auf einmal stehlen zu

Weitere Kostenlose Bücher