Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Zauberschiffe 01 - Der Ring der Händler

Titel: Zauberschiffe 01 - Der Ring der Händler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
Vom Netzwerk:
wirkten auf Wintrow zwar durchaus ordentlich, aber Torg teilte ihm mürrisch mit, dass er sie sorgfältig aufrollen und ja nicht nachlässig sein sollte. Es klang einfacher, als es war. Die dicken, groben Seile röteten seine Hände, und die Taue waren erheblich schwerer, als er sie sich vorgestellt hatte. Die stickige Luft in dem Kettenschrank und das dämmrige Licht einer kläglichen Laterne verstärkten noch sein Unwohlsein. Trotzdem machte er stundenlang so weiter. Schließlich wurde Malta zu ihm geschickt. Sie teilte ihm knapp mit, dass sie angelegt hatten und fertig vertäut waren, und ob er nicht langsam Lust hätte, an Land zu kommen. Er musste seine ganze Selbstbeherrschung aufbringen, um sich wie ein zukünftiger Priester von Sa zu benehmen und nicht wie ein verärgerter älterer Bruder.
    Schweigend legte er das Tau nieder, an dem er gerade gearbeitet hatte. Jedes Stück Tau, das er angefasst hatte, sah weniger ordentlich aus als vorher. Nun, sollte Torg sie doch neu aufwickeln, wie er wollte, oder irgendeinen Seemann an diese Aufgabe setzen. Wintrow hatte sofort gewusst, dass es eine überflüssige Arbeit war, aber warum sein Vater ihn demütigen und verärgern wollte, war ihm nicht klar. Vielleicht hatte es etwas mit seiner Weigerung zu tun, den Pflock in die Galionsfigur zu stecken, der das Schiff erweckt hatte. Sein Vater hatte in dem Moment einige böse Bemerkungen geäußert.
    Nun, das war jetzt vorbei. Sein Großvater war tot und dem Meer übergeben, die Familie hatte klargemacht, dass sie von ihm nicht getröstet werden wollte. Er würde nach Hause gehen, sobald er es mit Anstand tun konnte. Morgen früh, dachte er, ist früh genug.
    Er ging hinauf an Deck und gesellte sich zu seiner Familie, die den Trauergästen dankte, die sie an Bord des Schiffes begleitet hatten. Nicht wenige verabschiedeten sich auch von der Galionsfigur. Der Sommerabend wurde allmählich zur Nacht, bis der letzte Gast das Schiff verlassen hatte. Die Familie blieb zurück, schweigend und erschöpft, während Kyle dem Ersten Maat den Befehl gab, mit dem Löschen der Ladung gleich bei Tagesanbruch weiterzumachen. Dann ging er zu seiner Familie und befahl den Aufbruch. Kyle hielt seiner Frau den Arm hin, und Wintrow kümmerte sich um seine Großmutter. Im Stillen war er dankbar dafür, dass eine Kutsche auf sie wartete. Er wusste nicht, ob die alte Frau den Weg bergauf durch die dunklen, gepflasterten Straßen geschafft hätte.
    Aber als sie das Vordeck verließen, sprach die Galionsfigur plötzlich. »Gehst du?«, fragte sie besorgt. »Jetzt sofort?«
    »Ich bin bei Tagesanbruch wieder da«, erklärte Kyle. Er sprach mit ihr, als habe ein Matrose seinen Befehl angezweifelt.
    »Geht ihr alle?«, wollte das Schiff wissen. Wintrow war nicht sicher, warum er antwortete. Aber vermutlich reagierte er auf ihren panischen Unterton.
    »Es ist alles gut«, versicherte er ihr liebevoll. »Du bist sicher, liegst am Hafen vertäut und hast nichts zu befürchten.«
    »Ich will nicht allein bleiben.«
    Die Beschwerde war die eines Kindes, aber ihre Stimme war die einer unsicheren jungen Frau.
    »Wo ist Althea? Warum ist sie nicht hier? Sie würde mich nicht allein lassen.«
    »Der Erste Maat schläft an Bord und auch die halbe Mannschaft. Du bist nicht allein«, erwiderte Kyle gereizt.
    Wintrow erinnerte sich an diesen Ton aus seiner Kindheit. Sein Herz öffnete sich dem Schiff.
    »Das ist nicht dasselbe!«, rief sie, während Wintrow schon antwortete.
    »Ich könnte an Bord bleiben, wenn sie es wünscht. Wenigstens heute Nacht.«
    Sein Vater wirkte finster, als habe er seinen Befehl missachtet, aber seine Großmutter drückte sanft seinen Arm und lächelte ihn an. »Das Blut lässt sich eben nicht verleugnen«, sagte sie leise.
    »Der Junge kann nicht hierbleiben«, verkündete Kyle. »Ich muss heute Abend mit ihm reden.«
    »Heute Abend?«, fragte Keffria ungläubig. »O Kyle, nicht heute Nacht. Heute können wir nichts mehr tun. Wir sind alle zu müde und zu traurig.«
    »Ich hatte eigentlich erwartet, dass wir uns gleich zusammensetzen und über die Zukunft reden würden«, erklärte sein Vater grollend. »Wir sind vielleicht müde und traurig, aber der Morgen wartet nicht.«
    »Ob der Morgen warten kann oder nicht, ich jedenfalls kann warten«, beendete seine Großmutter die Diskussion. Ihre Stimme hatte einen gebieterischen Unterton, und einen Augenblick erinnerte sie ihn wieder lebhaft an die Frau, die er als Kind gekannt hatte. Selbst

Weitere Kostenlose Bücher