Zauberschiffe 01 - Der Ring der Händler
Vaters entfernt, und zu denken, dass die Kosten zu hoch gewesen waren, dass dieses Zauberschiff den Tod ihres Vaters nicht wert gewesen war, geschweige denn den Tod ihres Großvaters und ihrer Urgroßmutter. Und außerdem war der Gedanke nicht fair. Sie wusste es. Schiff oder nicht, sie wären alle auch so gestorben. Die Viviace war nicht die Ursache ihres Todes, sondern die Summe all ihrer Vermächtnisse. In ihr lebten sie weiter. Etwas in Althea beruhigte sich ein wenig. Sie beugte sich über die Reling und versuchte, etwas Zusammenhängendes zu denken und diesem neuen Wesen ein Willkommen zu entbieten. »Mein Vater wäre sehr stolz auf dich gewesen«, sagte sie schließlich.
Diese einfachen Worte weckten erneut ihre Trauer. Sie wollte den Kopf in die Arme sinken lassen und schluchzen, aber das gestattete sie sich nicht, nicht zuletzt, weil sie das Schiff nicht beunruhigen wollte.
»Er wäre auch stolz auf dich gewesen. Er wusste, dass dies nicht einfach für dich sein würde.«
Die Stimme des Schiffs hatte sich verändert. In wenigen Augenblicken hatte sie sich von der hohen, mädchenhaften Stimme in die volle, etwas heisere Stimme einer erwachsenen Frau verwandelt. Als Althea in ihr Gesicht sah, erblickte sie dort mehr Verständnis, als sie ertragen konnte. Diesmal versuchte sie nicht, die Tränen zurückzuhalten, und ließ sie die Wangen hinunterfließen. »Ich verstehe es einfach nicht«, sagte sie mit gebrochener Stimme zu dem Schiff. Dann blickte sie wieder auf ihre Familienangehörigen, die sich hinter ihr an der Reling aufgereiht hatten und in das Gesicht von Viviace blickten.
»Ich verstehe es nicht«, wiederholte sie lauter, obwohl ihre belegte Stimme nicht klarer klang. »Warum hat er das getan? Warum hat er nach all den Jahren die Viviace Keffria gegeben und mir nichts hinterlassen?«
Sie sprach diese Worte zur Qual ihrer Mutter laut aus, aber es war Kyle, der zu antworten wagte. »Vielleicht wollte er, dass sie in verantwortungsvolle Hände gelangt. Vielleicht wollte er sie jemandem anvertrauen, der verlässlich und standfest ist und sich auch um andere kümmert.«
»Mit dir rede ich nicht!«, schrie Althea ihn an. »Kannst du nicht einfach den Mund halten?«
Sie wusste, dass sie kindisch und hysterisch klang, und sie hasste es. Aber heute war einfach zuviel geschehen. Sie hatte keine Selbstbeherrschung mehr.
Wenn er noch einmal mit ihr sprach, würde sie sich auf ihn stürzen und ihn in Stücke reißen.
»Sei ruhig, Kyle«, bat ihre Mutter entschieden. »Althea. Nimm dich zusammen. Das hier ist weder die richtige Zeit noch der passende Ort dafür. Wir werden später darüber reden, zu Hause, ungestört. Ich muss es mit dir besprechen. Ich möchte, dass du die Absichten deines Vaters verstehst. Aber jetzt müssen wir uns um seinen Leichnam kümmern und das Schiff formell präsentieren. Die Händler und anderen Zauberschiffbesitzer müssen von seinem Tod benachrichtigt werden, und wir müssen Boote anmieten, damit wir sie hinaus aufs Meer bringen, wo sie seiner Seebestattung beiwohnen können. Und… Althea? Althea, komm sofort zurück!«
Sie hatte gar nicht bemerkt, dass Althea wegging, bis sie an die Laufplanke kam und im Begriff war, sie hinunterzugehen.
Irgendwie war sie unmittelbar am Leichnam ihres Vaters vorbeigeeilt, ohne ihn wahrzunehmen. Sie tat, was sie den Rest ihres Lebens bedauern würde. Sie ging einfach von der Viviace weg. Sie begleitete sie nicht auf ihrer Jungfernfahrt, um dabei zu sein, wie der Leichnam ihres Vaters in den Fluten hinter dem Hafen versenkt wurde. Sie glaubte nicht, dass sie ertragen konnte mit anzusehen, wie der Ersatzanker an seine Füße gebunden und seine Leiche in Segeltuch eingehüllt wurde, bevor er über die Seite gehievt wurde. Später wünschte sie sich immer, sie wäre dabeigewesen und hätte ihm ein letztes Lebewohl entboten.
Aber in diesem Augenblick wusste sie nur, dass sie Kyles Anblick keine Sekunde länger ertragen konnte, ganz zu schweigen von dem vernünftigen Tonfall ihrer Mutter, mit dem sie so fürchterliche Worte aussprach. Sie blickte nicht zurück und sah so auch nicht die Bestürzung auf den Gesichtern der Mannschaft und auch nicht, wie Keffria sich an Kyles Arm klammerte, um ihn davon abzuhalten, hinter ihr herzustürzen und sie zurückzuschleifen. In diesem Moment, das wusste sie, konnte sie es nicht ertragen mitzuerleben, wie die Viviace die Leinen losmachte, und das unter Kyles Kommando. Sie hoffte, dass das Schiff sie
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