Zauberschiffe 01 - Der Ring der Händler
zu stehen, und ihm missfiel die Nähe der anderen Großsegler, die gemeinsam mit ihnen den Hafen verließen, um ihren Beitrag bei der Seebestattung seines Großvaters zu leisten. Es kam ihm viel zu gefährlich vor, dass diese Schiffe so dicht zusammen segelten und dann in einem großen Kreis ankerten, damit die Leute an Deck sich an den Relings aufbauen und zusehen konnten, wie Ephron Vestrits in Segeltuch genähter Leichnam über eine Planke rutschte und in den wogenden Tiefen verschwand.
Anschließend wurde eine ihm vollkommen unverständliche Zeremonie vollzogen, in deren Verlauf die Viviace den anderen Lebensschiffen präsentiert wurde. Seine Großmutter stand auf dem Vordeck und stellte die Viviace laut jedem Schiff vor, das an ihrem Bug vorbeisegelte. Wintrow stand neben seinem finsteren Vater und wunderte sich sowohl über das Lächeln der alten Frau als auch über die Tränen, die ihr gleichzeitig über die Wangen rannen. Anscheinend war etwas verloren gegangen, als er als Haven geboren wurde. Selbst seine Mutter hatte strahlend zugesehen, ihre beiden jüngeren Kinder an ihrer Seite, und sie hatten jedem Schiff zugewunken.
An Bord der Viviace lief allerdings ein vollkommen anderes Ritual ab. Kyle riss die Leitung des Schiffes an sich. Selbst für den ahnungslosen Wintrow war das offenkundig. Er brüllte Männern Befehle zu, die Jahrzehnte älter waren als er selbst, und verfluchte sie ausgiebig, wenn sie seiner Meinung nach nicht schnell genug reagierten. Mehr als einmal sagte er laut zu seinem Ersten Maat, dass er einige Änderungen vornehmen würde, was die Führung dieses Schiffes anging. Als er dies das erste Mal äußerte, schien sich Ronica Vestrits Miene schmerzhaft zu verziehen. Wintrow beobachtete sie den Rest des Nachmittags aufmerksam, und ihm kam es so vor, als würde die alte Frau immer ernster, je weiter der Tag verstrich. Als würde das Leid über den Tod ihres Mannes mit jeder Stunde immer stärker in ihr Fuß fassen.
Er selbst wusste wenig zu sagen, und die Leute sagten noch weniger zu ihm. Seine Mutter war vollkommen damit beschäftigt, auf den kleinen Seiden aufzupassen und zu verhindern, dass Malta auch nur einen Blick mit einem der jüngeren Matrosen wechselte. Seine Großmutter stand zumeist auf dem Vordeck und starrte über den Bug. Wenn sie überhaupt sprach, dann mit der Galionsfigur, und zudem sehr leise. Allein der Gedanke daran jagte Wintrow einen Schauer über den Rücken. Es war nichts Natürliches an dem Leben, das dieses Schnitzwerk erfüllte, nichts von Sas echtem Geist war darin.
Zwar spürte er nichts Böses in ihr, aber er bemerkte auch nichts Gutes. Er war nur froh, dass er nicht derjenige gewesen war, der den Pflock in sie hineingesteckt hatte, und er hielt sich tunlichst vom Vordeck fern.
Erst auf dem Heimweg bemerkte sein Vater, dass er auch noch einen älteren Sohn hatte. In gewisser Weise war das Wintrows eigene Schuld. Er hörte, wie der Erste Maat zwei Männern einen unverständlichen Befehl zuschrie. Als Wintrow versuchte, ihnen aus dem Weg zu gehen, trat er zurück und geriet einem dritten Matrosen in die Quere, den er gar nicht gesehen hatte. Sie stürzten beide zu Boden. Wintrow nahm der Sturz beinahe den Atem. Im nächsten Moment war der Seemann wieder aufgesprungen und ging seiner Arbeit nach.
Wintrow stand etwas langsamer auf, rieb sich den Ellbogen und kam allmählich wieder zu Atem. Als er sich schließlich aufrichtete, fand er sich Aug in Aug mit seinem Vater wieder.
»Sieh dich nur an«, knurrte der. Verblüfft sah Wintrow an sich herunter, weil er glaubte, er habe vielleicht Schmutz an seiner Kleidung. Sein Vater schlug ihm leicht auf die Schulter.
»Ich meine nicht deine Priestergewänder, ich meine dich. Sieh dich an! Ein Mann nach Jahren und hat den Körper eines Jungen und den Verstand eines Bauern. Du kannst nicht mal dir selbst aus dem Weg gehen, geschweige denn jemand anderem. Hierher, Torg. Hierher! Nimm ihn und gib ihm was zu tun, damit er uns wenigstens nicht mehr in die Quere kommt.«
Torg war der Zweite Maat. Er war ein kräftiger, etwas untersetzter Mann mit kurzem blondem Haar und blassblauen Augen. Seine Augenbrauen waren weiß. Wintrow fand, dass er glatzköpfig aussah, weil sein Gesicht aus so vielen hellen Einzelheiten bestand. Torgs Vorstellung davon, ihn aus dem Weg zu räumen, bestand darin, ihn unter Deck zu schicken, wo er Taue aufrollen und Ketten in einen Schrank hängen sollte.
Die Taue, die bereits darin hingen,
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