Zauberschiffe 01 - Der Ring der Händler
lassen. Dann schulterte er den Seesack und verließ das Büro. Er hatte sich im Geiste eine Liste von Dingen gemacht, die noch zu erledigen waren. Erstens wollte er sich ein Zimmer in einer billigen Pension mieten. Vorher hatte er an Bord der Viviace gelebt, wenn sie im Hafen anlegte. Jetzt befand sich alles, was er besaß, in dem Sack auf seinem Rücken. Danach würde er zu einem Bankier gehen. Kapitän Vestrit hatte ihn oft genug gedrängt, nach jeder Reise ein paar Münzen beiseite zu legen. Er war nie dazu gekommen. Solange er mit Vestrit segelte, schien seine Zukunft gesichert zu sein. Jetzt wünschte er sich abrupt, dass er den Ratschlag früher angenommen hätte. Nun, besser jetzt als nie. Dann fing er eben heute damit an und würde sich an die harte Lektion gut erinnern.
Und dann? Nun, er würde sich erst noch eine lange Nacht im Hafen gönnen, bevor er sich daran machte, einen neuen Liegeplatz zu finden. Ein bisschen frisches Fleisch, frisch gebackenes Brot, eine Nacht mit Bier und guter Gesellschaft in den Hafentavernen. Sa wusste, dass er sich für diese Reise ein wenig Vergnügen verdient hatte. Er hatte vor, sich diese Nacht dafür zu nehmen und sie zu genießen. Morgen war noch früh genug, um sich um den Rest seines Lebens zu kümmern.
Einen Augenblick durchströmte ihn Scham, als er daran dachte, dass er sich amüsieren wollte, während sein Kapitän tot dalag.
Aber Kyle würde ihn nicht mehr an Bord lassen, damit er seinen letzten Respekt erweisen konnte. Das Beste, was er für Kapitän Vestrits Andenken tun konnte, war, nicht noch ein weiteres störendes Element bei seiner Beisetzung zu sein.
Sollte er doch von einem friedlichen Deck aus zu Grunde gehen. Heute würde Brashen mit jedem Becher, den er hob, seiner gedenken. Das war sein eigener privater Tribut an den Mann. Entschlossen ging er in Richtung Stadt.
Doch als er aus dem schattigen Büro des Schiffsagenten trat, sah er, wie Althea die Fallreepstreppe hinabstürmte. Er beobachtete, wie sie den Pier entlanglief und dass ihre Röcke wie zerfetzte Segel in einem Sturm hinter ihr herwehten. Ihr Gesicht war tränenüberströmt, und ihre Augen glühten so schwarz vor Wut, dass es fast zum Fürchten war. Die Leute drehten die Köpfe nach ihr um, wenn sie an ihnen vorbeistürmte. Brashen stöhnte und schob dann seinen Seesack fester auf die Schulter. Er hatte versprochen, auf sie aufzupassen. Mit einem tiefen Seufzer folgte er ihr.
7. Loyalitäten
Es dauerte den Rest des Tages, seinen Großvater zu bestatten.
Läufer wurden durch die Stadt geschickt, um Freunde und Nachbarn davon zu benachrichtigen, und der Termin seines Sterbegottesdienstes wurde laut auf den Marktplätzen und an den Docks bekanntgegeben. Wintrow war von der großen Zahl der Menschen überrascht worden, die gekommen war, und auch davon, wie schnell die Menge zusammenlief. Kaufleute und Seekapitäne, alte Händler und Kaufleute ließen die Geschäfte des Tages ruhen und kamen auf dem Pier und dem Schiff zusammen. Die engsten Freunde der Familie wurden an Bord der Viviace begrüßt, die anderen folgten auf Schiffen von Freunden.
Jedes Zauberschiff, das zufällig im Hafen lag, folgte der Viviace hinaus zu der Stelle, wo ihr ehemaliger Herr der See übergeben wurde.
Wintrow fühlte sich bei der Zeremonie unbehaglich. Er konnte nicht genau entscheiden, was er dabei empfand. Es machte ihn stolz, dass so viele Leute seinen Großvater ehrten, aber es wirkte dennoch irgendwie unangebracht, dass die meisten von ihnen erst ihr Beileid aussprachen und dann sofort zum Erwachen des Lebensschiffes gratulierten. Ebenso viele, die sich vor dem Leichnam verneigten, um ihm die letzte Ehre zu erweisen, traten auch an den Bug des Schiffes, grüßten Viviace und wünschten ihr Glück. Dort stand auch seine Großmutter – und nicht beim Leichnam ihres toten Ehemannes. Und nur seine Großmutter schien sein Unbehagen zu bemerken. Irgendwann raunte sie ihm zu, dass er einfach schon zu lange Bingtown und seinen Sitten fern gewesen war. Dass sie ihr zu ihrem Schiff gratulierten, schmälerte kein bisschen die Trauer, die sie über Ephrons Tod empfanden. Es war nicht üblich unter Bingtown-Leuten, sich zu lange mit Tragik aufzuhalten. Hätten die Gründer von Bingtown sich in ihre Tragödien vertieft, wären sie in ihren eigenen Tränen ertrunken. Er quittierte ihre Erklärung mit einem Nicken, behielt seine Gedanken jedoch für sich.
Er hasste es, auf dem Deck neben dem Leichnam seines Großvaters
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