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Zauberschiffe 01 - Der Ring der Händler

Titel: Zauberschiffe 01 - Der Ring der Händler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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als sein Vater etwas sagen wollte, schnitt sie ihm einfach das Wort ab. »Und wenn Wintrow an Bord schlafen will und Viviace, so gut er kann, tröstet, würde ich das als einen persönlichen Gefallen betrachten.«
    Sie drehte sich zu der Galionsfigur um. »Er muss mich jedoch erst zur Kutsche begleiten. Wirst du diese kurze Zeit allein bleiben können, Viviace?«
    Er hatte gespürt, wie besorgt das Schiff dem Gespräch gefolgt war. Jetzt jedoch glitt ein strahlendes Lächeln über die Züge der geschnitzten Galionsfigur. »Ich bin sicher, dass ich das ertrage, Ronica. Ganz sicher.«
    Sie blickte Wintrow an, und ihr Blick versenkte sich so tief in seine Augen, dass er beinahe zurückschrak. »Wenn du an Bord kommst, schläfst du dann auf dem Vordeck, wo ich dich sehen kann?«
    Er sah seinen Vater unsicher an. Sie schienen die beiden einzigen zu sein, denen klar war, dass er noch nicht seine Erlaubnis gegeben hatte. Wintrow beschloss, diplomatisch zu sein. »Wenn mein Vater es gestattet«, sagte er vorsichtig. Er musste aufblicken, um seinem Vater in die Augen zu sehen, aber er zwang sich dazu, es zu tun und nicht wegzublicken.
    Sein Vater wirkte immer noch mürrisch, aber Wintrow glaubte, auch widerwilligen Respekt in seinem Blick zu erkennen. »Ich genehmige es!«, sagte er schließlich und machte allen klar, dass zumindest er dies als seine eigene Entscheidung betrachtete. Er musterte seinen Sohn von Kopf bis Fuß. »Wenn du an Bord gehst, melde dich bei Torg und lass dir eine Decke geben.«
    Kyle blickte von dem Jungen auf den Zweiten Maat, der den Befehl mit einem kurzen Nicken quittierte.
    Seine Mutter seufzte, als habe sie die ganze Zeit den Atem angehalten. »Nun, da jetzt alles geregelt ist, können wir ja nach Hause gehen.«
    Die Stimme versagte ihr unerwarteterweise bei ihren letzten Worten, und sie brach erneut in Tränen aus. »Ach, Vater«, sagte sie leise, und es klang, als tadele sie den Toten. Kyle tätschelte ihre Hand, die sie auf seinen Unterarm gelegt hatte, und geleitete sie vom Schiff.
    Wintrow folgte langsamer mit seiner Großmutter. Seine jüngeren Geschwister drängten sich ungeduldig an ihnen vorbei und liefen zur Kutsche voraus.
    Seine Großmutter ging so langsam, dass er schon annahm, sie sei vollkommen erschöpft, bis sie anfing zu reden. Da erst begriff er, dass sie absichtlich zurückgeblieben war, um ungestört mit ihm zu sein. Sie sprach mit gesenkter Stimme, damit nur er sie hören konnte.
    »Das ist dir vorhin noch merkwürdig und fremd vorgekommen, Wintrow. Doch eben gerade hast du wie ein Vestrit gesprochen, und ich glaubte deinen Großvater in deiner Miene wiederzuerkennen. Dieses Schiff greift nach dir.«
    »Großmutter, leider habe ich nicht die geringste Ahnung, wovon du sprichst«, gestand er ebenso leise.
    »Wirklich nicht?«
    Sie blieb stehen, und er drehte sich um und sah ihr ins Gesicht. Sie war klein, hielt sich jedoch aufrecht und erwiderte seinen Blick. »Das sagst du zwar, aber ich sehe das anders«, erwiderte sie nach einem Augenblick. »Wenn du es nicht schon selbst wüsstest, in deinem Herzen, hättest du dich nicht so für das Schiff einsetzen können, wie du es getan hast. Du wirst noch alles begreifen, Wintrow. Du wirst bald darauf kommen, keine Angst.«
    Eine undeutliche Vorahnung bedrückte ihn. Er wünschte sich, mit ihnen heute Abend nach Hause gehen zu können, sich mit seiner Mutter und seinem Vater zusammenzusetzen und ehrlich sprechen zu können. Offensichtlich hatten sie sich über ihn unterhalten. Er wusste zwar nicht, was sie besprochen hatten, aber er fühlte sich davon bedroht. Dann rief er sich streng ins Gedächtnis, jedes Vorurteil zu unterlassen. Seine Großmutter sagte nichts weiter, und er führte sie die Laufplanken hinunter und half ihr in die wartende Kutsche. Die anderen saßen bereits darin.
    »Danke, Wintrow«, sagte sie ernst.
    »Gern geschehen«, erwiderte er, aber er fühlte sich unbehaglich, weil er vermutete, dass sie ihm für mehr dankte als dafür, dass er sie einfach nur zur Kutsche begleitet hatte.
    Und kurz dachte er darüber nach, ob er ihr wirklich gern das geben würde, was sie erwartete. Er blieb einsam zurück, als der Kutscher seinen Pferden die Peitsche gab und losfuhr. Ihre Hufe klangen hohl auf den Holzbohlen des Piers. Nachdem sie verschwunden waren, blieb er noch eine Weile stehen und genoss die nächtliche Ruhe.
    Eigentlich war es gar nicht ruhig. Weder das ordentliche Bingtown noch die Hafengegend schliefen jemals

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