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Zauberschiffe 02 - Viviaces Erwachen

Titel: Zauberschiffe 02 - Viviaces Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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hinunter.
    »Wintrow. Das darfst du nicht. Es gibt Seeschlangen im Hafen, sie könnten…«
    »Du hast mich niemals belogen«, tadelte er sie ruhig. »Fang jetzt nicht damit an, nur um mich bei dir zu behalten.«
    Erschrocken öffnete sie den Mund, aber es drang kein Wort über ihre Lippen. Er erreichte das eiskalte Wasser und steckte einen Fuß und ein Bein hinein. »Sa beschütze mich«, sagte er und glitt dann entschlossen in die Fluten. Sie hörte, wie er in dem eisigen Wasser nach Luft schnappte. Sein Bündel tanzte auf den Wellen hinter ihm her. Er schwamm wie ein Hund.
    Wintrow! dachte sie gequält. Wintrow, Wintrow, Wintrow. Es waren lautlose Schreie, wasserlose Tränen. Aber sie blieb ruhig, und das nicht nur, weil ihre Schreie die Seeschlangen herbeirufen würden. Eine fürchterliche Loyalität ihm und sich selbst gegenüber ließ sie verstummen. Er konnte das doch nicht ernst meinen. Er durfte es nicht tun. Er war ein Vestrit, und sie war sein Familienschiff. Er konnte sie nicht verlassen, nicht für lange jedenfalls. Er würde an Land gehen und in die dunkle Stadt schleichen. Dort würde er bleiben, eine Stunde, einen Tag, eine Woche. Männer taten so etwas, wenn sie an Land gingen, aber sie kamen immer zurück. Aus freien Stücken würde er zu ihr zurückkommen und zugeben, dass sie seine Bestimmung war. Sie schlang die Arme um sich und presste die Zähne zusammen. Sie würde nicht schreien. Sie konnte warten, bis er es selbst einsah und freiwillig zurückkam. Sie vertraute darauf, dass sie ihn wirklich kannte.

    »Es ist fast Morgengrauen.«
    Kennits Stimme war so leise. Etta war sich nicht einmal sicher, ob sie sie wirklich gehört hatte. »Ja«, bestätigte sie ruhig. Sie lag parallel zu seinem Rücken, aber sie berührte ihn nicht. Wenn er im Schlaf redete, wollte sie ihn nicht wecken. Es kam sehr selten vor, dass er einschlief, während sie noch in seinem Bett war.
    Selten, dass es ihr erlaubt war, sein Bett, seine Kissen und die Wärme seines muskulösen Körpers länger als ein oder zwei Stunden zu genießen.
    Er sprach erneut. Es war ein kaum vernehmliches Flüstern.
    »Kennst du dieses Gedicht? ›Bin ich von dir getrennt, berührt das Licht mein Gesicht mit deinen Händen.‹«
    »Ich weiß nicht«, wisperte Etta zögernd. »Es klingt ein bisschen wie ein Gedicht, vielleicht… Ich hatte nicht viel Zeit, mich mit Poesie zu beschäftigen.«
    »Du musst nicht erst lernen, was du schon bist«, antwortete er gelassen. Und er versuchte auch nicht, die Liebe in seiner Stimme zu verbergen. Etta blieb fast das Herz stehen, und sie wagte kaum zu atmen. »Das Gedicht heißt: Von Kytris an seine
    Mätresse. Es ist älter als Jamaillia und stammt noch aus den Tagen des Alten Reiches.«
    Er machte eine kleine Pause. »Seit ich dich getroffen habe, muss ich daran denken. Vor allem an den Teil, in dem es heißt: ›Worte sind nicht tief genug, um meine Liebe zu dir zu fassen. Ich beiße mir auf die Zunge und blicke meine Liebe finster an, weil die Leidenschaft mich zum Sklaven macht.‹«
    Pause. »Es sind die Worte eines anderen Mannes, von den Lippen eines anderen gesprochen. Ich wünschte, es wären meine eigenen.«
    Etta schwieg und genoss seine Worte, während sie sich in ihr Gedächtnis einbrannten. Wenn er nicht atemlos flüsterte, hörte sie seine Atemzüge, im Rhythmus mit dem Klatschen und Gurgeln der Wellen am Schiffsrumpf. Es war eine Musik, die sie mit dem Rauschen ihres Blutes durchdrang. Sie holte tief Luft und nahm allen Mut zusammen.
    »So süß, wie deine Worte auch sind, ich brauche sie nicht. Ich habe sie niemals gebraucht.«
    »Dann lass uns schweigend warten. Bleib ruhig neben mir liegen, bis der Morgen uns aufweckt.«
    »Das werde ich«, hauchte sie. So sanft wie eine Feder, die schwebend landet, legte sie ihre Hand auf seine Hüfte. Er rührte sich nicht und drehte sich auch nicht zu ihr herum. Das machte ihr nichts aus. Es war nicht nötig. Nachdem sie so lange von so Wenigem gezehrt hatte, würden die Worte, die er jetzt zu ihr gesprochen hatte, ein ganzes Leben lang genügen. Als sie die Augen schloss, quoll eine einzelne Träne zwischen ihren Wimpern hervor.
    In der dämmrigen Kajüte des Kapitäns kräuselte ein unmerkliches Lächeln seine hölzernen Gesichtszüge.

8. Die Sklavenhändler von Jamaillia

    Wintrow summte ein Lied, das er als Kind gelernt hatte, während er rasch durch die müllübersäte Gasse ging. Das Lied handelte von den weißen Straßen Jamaillia-Stadts, die in

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