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Zauberschiffe 02 - Viviaces Erwachen

Titel: Zauberschiffe 02 - Viviaces Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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der Sonne glänzten. Auf beiden Seiten schirmten hohe Holzgebäude die Sonne ab und bildeten eine Schlucht, durch die der Wind pfiff. Trotz seiner Sorgfalt hatte das Salzwasser das Bündel mit seiner Priesterrobe durchnässt. Die feuchte Kutte schlug ihm gegen die Beine und scheuerte beim Gehen seine Haut auf. Glücklicherweise war es ein ausgesprochen milder Wintertag, selbst für Jamaillia-Stadt. Mir ist überhaupt nicht kalt, redete er sich ein. Sobald meine Robe und meine Haut trocken sind, geht es mir wieder prächtig. Seine Füße waren von der Arbeit auf dem Schiff so schwielig geworden, dass selbst die Scherben und die Holzsplitter, die auf der Gasse lagen, ihn nicht störten. Daran sollte ich denken, schärfte er sich ein. Vergiss deinen hungrigen Magen und sei dankbar, dass dir nicht übermäßig kalt ist.
    Und dass du frei bist.
    Wintrow war gar nicht klar gewesen, wie sehr die Begrenztheit auf dem Schiff ihn eingeschränkt hatte, bis er an Land watete.
    Doch noch bevor er das Wasser von der Haut abgestrichen und die Robe übergezogen hatte, war ihm das Herz aufgegangen.
    Frei. Er war viele Tagesreisen von seinem Kloster entfernt und hatte keine Ahnung, wie er dorthin gelangen sollte. Dennoch war er fest entschlossen, es zu bewerkstelligen. Jetzt konnte er wieder selbst über sein Leben bestimmen. Und er war glücklich, dass er diese Herausforderung angenommen hatte.
    Vielleicht scheiterte er, wurde möglicherweise ja wieder eingefangen oder fiel unterwegs irgendeinem anderen Übel zum Opfer, aber er hatte Sas Kraft akzeptiert und gehandelt.
    Ganz gleich, was ihm nun widerfuhr, daran konnte er sich immer festhalten. Er war kein Feigling.
    Endlich hatte er es auch sich selbst bewiesen.
    Jamaillia-Stadt war weit größer als alle anderen Städte, die er jemals besucht hatte. Ihre Größe schüchterte ihn ein. Vom Schiff aus hatte er die strahlenden weißen Türme und Kuppeln des Satrapenpalastes im oberen Teil der Stadt bewundert. Der dampfende Warme Fluss bildete einen ständigen Schleier – wie bauschige Seide. Aber jetzt befand sich Wintrow in den unteren Regionen der Stadt. Die Hafengegend war so dunkel und erbärmlich wie in Cress, nur war es hier noch viel schlimmer. Es war schmutziger und heruntergekommener als alles, was er in Bingtown je gesehen hatte. An den Kais befanden sich die Lagerhäuser und Schiffsausrüster, aber direkt dahinter lag ein Viertel, das ausschließlich aus Bordellen, Tavernen, Drogenhöhlen und heruntergekommenen Pensionen zu bestehen schien. Die einzigen ständigen Bewohner schienen die Bettler zu sein. Sie schliefen zusammengerollt auf Türschwellen und unter feuchten Schuppen, die zwischen den Gebäuden errichtet worden waren. Die Straßen waren beinahe genauso schmutzig wie die Gassen. Vielleicht hatten die Abflüsse früher einmal den Unrat weggespült. Jetzt jedoch quollen sie ständig über und bildeten eine grünlich-braune Brühe, auf der man leicht ausrutschen konnte. Ziemlich offensichtlich war auch, dass man hier den Inhalt der Nachttöpfe entleerte. An einem wärmeren Tag hätte es vermutlich noch stärker gestunken, und ein Meer von Mistfliegen wäre herumgeschwirrt. Also hast du noch einen Grund, dankbar zu sein, dachte Wintrow, während er einer größeren Pfütze auswich.
    Es war früh am Abend, und dieser Teil der Stadt schlief noch.
    Wintrow vermutete allerdings, dass es in der Nacht auf diesen Straßen ganz anders aussehen würde. Aber im Augenblick lagen sie wie ausgestorben da. Die Fensterläden waren zugeklappt und die Türen verrammelt. Er blickte hoch zum Himmel, über den Blitze zuckten, und beschleunigte seine Schritte. Es würde sicher nicht lange dauern, bevor man seine Abwesenheit auf dem Schiff bemerkte. Bis dahin wollte er die Hafengegend weit hinter sich gelassen haben. Wie intensiv sein Vater die Suche nach ihm wohl betreiben würde? Und wenn er überhaupt nach ihm schickte, dann wohl kaum seinetwegen. Er schätzte Wintrow ja doch nur als ein Mittel, das Schiff zufrieden zu stellen.
    Viviace.
    Selbst wenn er nur an ihren Namen dachte, schien sich eine Klammer um sein Herz zu legen. Wie hatte er sie verlassen können? Sicher, es war notwendig gewesen, denn so konnte er nicht weitermachen. Trotzdem fühlte er sich zerrissen, uneins mit sich selbst. Auch wenn er seine Freiheit genoss, fühlte er sich einsam, extrem einsam. Und dabei konnte er nicht einmal unterscheiden, ob es nun seine eigene Einsamkeit war oder vielleicht die ihre. Wenn es eine

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