Zauberschiffe 02 - Viviaces Erwachen
unten, wo er in dem dunklen Wasser verschwand, aus dem das Biest aufgetaucht war. Die halbe Reling versank mit ihm. Und es hinterließ eine Spur aus rauchendem, verkohltem Holz. Heiser befahl der Kapitän, das Deck mit Seewasser zu spülen.
»Das war nicht nur ein Tier«, sagte jemand, dessen Stimme sie als Brashens erkannte. Sie klang sowohl furchtsam als auch bewundernd. »Es suchte Vergeltung, bevor es starb. Und es hätte sie auch fast bekommen.«
»Verschwinden wir von hier«, schlug der Erste Maat vor.
Die Männer reagierten sofort, und im gleichen Moment glitten die ersten Strahlen der Sonne über das Schiff.
Am vierten Tag ihres Aufenthaltes in Jamaillia kam er mitten in der Nacht auf das Vordeck. Viviace konnte ihn hier wahrnehmen, aber das tat sie auch überall sonst, wo er sich befand. »Was gibt es?«, flüsterte sie. Auf dem Schiff war es ansonsten ruhig. Der Matrose, der Wache hielt, saß am Heck und summte ein altes Liebeslied, während er die Lichter von Jamaillia betrachtete. Einen Steinwurf von ihnen entfernt dümpelte ein Sklavenschiff an seinen Ankerketten. Die friedliche Szenerie wurde nur von dem Gestank und dem leisen Murmeln der angeketteten Fracht in seinem Bauch verdorben.
»Ich gehe«, erwiderte er ruhig. »Ich wollte nur auf Wiedersehen sagen.«
Sie hörte und fühlte seine Worte, aber sie wurde nicht daraus klug. Er konnte doch nicht meinen, was diese Worte zu bedeuten schienen. Panisch streckte sie ihre Fühler nach ihm aus, suchte in seinem Inneren nach dem Sinn, aber irgendwie hielt er ihn vor ihr verborgen. Getrennt.
»Du weißt, dass ich dich liebe«, sagte er. »Ich glaube, wir wären Freunde geworden, wenn wir nicht wären, was wir sind. Selbst wenn du eine echte Person wärst oder ein Schiffskamerad…«
»Du tust unrecht!«, rief sie leise. Selbst jetzt, als sie seine Entscheidung spürte, sie zu verlassen, brachte sie es nicht fertig, ihn zu verraten. Es war nicht wirklich, das konnte nicht sein.
Und es war sinnlos, Alarm zu schlagen und Kyle zu alarmieren.
Sie würde es nicht öffentlich machen, sondern es zwischen ihnen beiden belassen. Sie redete leise weiter. »Wintrow. Ja, in irgendeiner Form wären wir Freunde geworden, auch wenn es mich zutiefst schmerzt, wenn du sagst, ich wäre keine echte Person. Aber was zwischen uns besteht, zwischen Schiff und Mensch, oh, das könnte niemals mit einem anderen Menschen sein! Und rede dir nicht ein, dass es möglich wäre. Erleichtere nicht dein Gewissen damit, dass ich einfach mit Mild plaudern oder meine Meinung Gantry mitteilen könnte, wenn du mich verlässt. Es sind gute Männer, aber sie sind nicht du. Ich brauche dich, Wintrow. Wintrow? Wintrow!«
Sie hatte sich zu ihm umgedreht, aber er stand außerhalb ihres Blickwinkels. Als er jetzt vortrat, sah sie, dass er bis auf seine Unterwäsche ausgezogen war. Er hatte ein kleines Bündel in der Hand, vermutlich etwas, das in Ölhaut eingewickelt und fest verzurrt war. Wahrscheinlich seine Priesterrobe, dachte sie wütend.
»Du hast Recht«, erwiderte er ruhig. »Dies hier nehme ich mit – und sonst nichts. Es ist das Einzige, was ich mit an Bord gebracht habe, Viviace. Ich weiß nicht, was ich dir noch sagen soll. Ich muss gehen, es ist nötig, bevor ich dich nicht mehr verlassen kann. Bevor mein Vater mich so vollkommen verändert hat, dass ich mich selbst nicht mehr erkenne.«
Sie versuchte vernünftig zu sein, ihn durch Logik umzustimmen. »Aber wohin willst du gehen? Was willst du tun?
Dein Kloster ist weit von hier entfernt. Du hast weder Geld noch Freunde. Wintrow, das ist Wahnsinn. Wenn du es schon tun musst, dann plane es wenigstens. Warte, bis wir näher an Marrow sind, lulle sie ein, dass sie denken, dass du aufgegeben hast, und dann…«
»Ich glaube, wenn ich es jetzt nicht mache, dann werde ich es niemals tun.«
Seine Stimme klang ruhig und entschlossen.
»Ich könnte dich jetzt sofort aufhalten«, warnte sie ihn heiser.
»Ich muss nur Alarm schlagen. Ein Schrei von mir, und alle Männer auf diesem Schiff verfolgen dich. Weißt du das nicht?«
»Das ist mir klar.«
Er schloss die Augen und streckte dann die Hand aus. Er berührte eine Locke ihres Haars. »Aber ich glaube nicht, dass du es tun wirst. Ich kann mir nicht vorstellen, dass du mir so etwas antust.«
Nach dieser kurzen Berührung richtete er sich auf. Er band sein Bündel mit einer langen Schnur an seiner Taille fest. Dann kletterte er unbeholfen über die Reling und an einer Ankerkette
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