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Zauberschiffe 02 - Viviaces Erwachen

Titel: Zauberschiffe 02 - Viviaces Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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sollte sich die Lady in die Kajüte zurückziehen, bis das hier vorbei ist.«
    Kennit warf Etta einen Blick über die Schulter zu. Mittlerweile kam es ihm beinahe so vor, als wäre sie stets einen oder zwei Schritte hinter ihm, wann immer er an Deck kam. Es war ein bisschen peinlich, aber er hatte beschlossen, es einfach zu ignorieren. Er fand es eher amüsant, dass Sorcor sich ihr gegenüber so ehrerbietig verhielt und tat, als brauche sie einen Schutz vor den raueren Tatsachen des Lebens. Etta jedoch wirkte weder amüsiert noch geschmeichelt. Stattdessen funkelten ihre Augen, und rosa Flecken zeigten sich auf ihren Wangen. Sie trug heute eine etwas gröbere Kleidung, ein Hemd aus blauer Baumwolle, eine dunkle wollene Hose und eine kurze, dazu passende Wolljacke. Ihre schwarzen Kniestiefel glänzten ölig. Er hatte keine Ahnung, woher sie die hatte. Aber sie hatte damit geprahlt, dass sie vor einigen Nächten mit der Mannschaft ein Spielchen gewagt hätte. Ein buntes Tuch hielt ihr schwarzes Haar zurück.
    Hätte er Etta nicht gekannt, hätte er sie auch für einen halbwüchsigen Straßenjungen halten können. Sie maß Sorcor jedenfalls mit einem frechen Blick, der einem Kerl alle Ehre gemacht hätte.
    »Ich glaube, die Lady kann selbst entscheiden, was für ihren Geschmack zu blutig oder zu grausam ist, und sich rechtzeitig zurückziehen«, bemerkte Kennit trocken.
    Etta lächelte unmerklich, als sie kühn antwortete: »Wenn ich des Nachts Kapitän Kennit genießen darf, gibt es wohl kaum etwas, das ich am Tage zu fürchten hätte.«
    Sorcor lief so rot an, dass seine Narben weiß hervortraten. Aber Etta hatte nur Augen für Kennit und beobachtete, ob ihn ihre Schmeichelei amüsierte. Er versuchte zwar, unbeteiligt zu wirken, aber es freute ihn, dass Sorcor die Prahlerei der Frau peinlich war. Kennit quittierte ihre Bemerkung mit einem winzigen Lächeln. Es genügte. Etta sah es, blähte ihre Nasenflügel und drehte langsam den Kopf zur Seite. Sie wirkte wie eine Tigerin an der Leine, wie seine Tigerin.
    Sorcor wandte ihnen den Rücken zu. »Gut, Jungs, tarnen wir uns!«, schrie er der Mannschaft zu. Die beeilte sich, seinem Befehl nachzukommen. Kennits Rabenflagge wurde eingeholt und von einer Händlerflagge ersetzt, die sie vor langer Zeit erbeutet hatten. Die Schleppanker wurden über Bord gehievt.
    Bis auf einen kleinen Rest verschwand die Mannschaft unter Deck. Jetzt bewegte sich die Marietta so gemächlich wie ein schwer beladenes Frachtschiff, und die Seeleute, die an Deck herumliefen, trugen keine Waffen. Selbst als das Sklavenschiff die Inselspitze umrundete und in Sichtweite kam, sah Kennit, dass sie es auch jetzt noch überholen würden.
    Er betrachtete das Schiff träge. Wie Sorcor bereits bemerkt hatte, waren seine drei Masten höher als bei gewöhnlichen Schiffen, so dass sie mehr Segel setzen konnte. Ein Segeltuchzelt zum Schutz der Mannschaft vor der Sonne blähte sich auf Deck. Zweifellos konnte die Mannschaft den Gestank der Ladung nicht länger ertragen und hatte das Vordeck verlassen, um luftigere Quartiere zu beziehen. Die Sicerna , so lautete der Name auf dem Bug, war bereits seit einer Weile ein Sklavenschiff. Das Gold war von ihren Schnitzereien abgeblättert, und die Flecken auf ihren Seiten legten Zeugnis ab, wie achtlos der menschliche Abfall über Bord gekippt wurde.
    Wie erwartet tummelte sich eine fette, gelbgrüne Seeschlange im Kielwasser des Schiffes. Sie wirkte fast wie ein zufriedenes Maskottchen. Ging man vom Leibesumfang der Seeschlange aus, hatte dieser Sklavenhändler bereits einen großen Teil seiner Ladung über Bord gehen lassen. Kennit musterte das Deck des Schiffes. Es standen erheblich mehr Leute oben, als er erwartet hätte. Hatten die Sklavenschiffe etwa angefangen, eine bewaffnete Besatzung für ihren Schutz anzuheuern? Er runzelte die Stirn, aber als die Marietta die Sicerna langsam überholte, bemerkte Kennit, dass die Menschen, die sich an Deck drängelten, Sklaven waren. Ihre zerlumpte Kleidung flatterte in dem kalten Winterwind, und auch wenn sich einzelne Individuen rührten, schienen sie sich dennoch nicht frei bewegen zu können. Der Kapitän hatte vermutlich eine Gruppe Sklaven an Deck geholt, damit sie frische Luft schnappen konnten. Kennit drängte sich die Frage auf, ob unter Deck vielleicht eine tückische Krankheit ausgebrochen war. Bisher hatte er noch nie einen Sklavenhändler gesehen, der sich um das Wohlergehen seiner Ware Gedanken machte.
    Sorcor

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