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Zauberschiffe 02 - Viviaces Erwachen

Titel: Zauberschiffe 02 - Viviaces Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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zugewandt, die im Wasser kämpften, während Kennit wie ein Fischköder vor ihrem unversehrten Auge zappelte. Hastig schwang er ein Bein über die Reling und verhakte es dort. Mit der Zartheit, mit der ein gut abgerichtetes Haustier einen Leckerbissen von seinem Herrchen annimmt, schloss die Schlange ihre Fänge um Kennits anderes Bein.
    Es schmerzte glühend heiß wie ein Brandeisen, und er schrie laut auf. Dann jedoch hörte der Schmerz unvermittelt auf. Eine eisige, angenehme Taubheit vertrieb ihn. Wie heißes Wasser Kälte von der Haut vertreibt. Schnell durchströmte dieses Gefühl seinen ganzen Körper. Was für eine Erleichterung nach dem Schmerz! Sein Bein entspannte sich ebenfalls, und dann kroch die Taubheit höher. Sein Schrei wurde zu einem Stöhnen.
    »NEIN!«, schrie die Hure, als sie über das Deck zu fliegen schien. Etta musste die Geschehnisse von Bord der Marietta aus beobachtet haben. Niemand stellte sich ihr entgegen. Es befanden sich kaum noch lebende Männer an Deck. Vermutlich waren sie zurückgeschreckt, als die Seeschlange wieder aufgetaucht war.
    Etta schwang eine improvisierte Waffe, eine Bordaxt oder ein Küchenbeil, die in ihrer Hand aufblitzte. Sie stieß eine Flut von Beleidigungen und Drohungen gegen die Seeschlange aus, als die Kennit hochhob. Reflexartig klammerte er sich mit aller Kraft an die Reling. Allerdings besaß er kaum noch Kraft. Er fühlte sich schwach. Das Gift, das die Seeschlange in die Wunde geträufelt hatte, zeigte bereits Wirkung. Als Etta ihn und die Reling umarmte, fühlte er ihren Griff kaum noch. »Lass ihn los!«, befahl sie der Seeschlange. »Lass ihn los, du Miststück!
    Du schleimiger Seewurm! Du Nuttenarsch! Lass ihn los!«
    Die angeschlagene Seeschlange zerrte an seinem Bein und zog ihn hinaus aufs Wasser. Etta riss ihn in die andere Richtung.
    Die Frau war stärker, als er gedacht hatte. Er sah mehr, als er fühlte, wie die Seeschlange ihre Zähne fester in sein Fleisch grub. Sie durchtrennten Haut und Muskeln so leicht, wie ein heißes Messer durch Butter glitt. Er sah kurz einen blanken Knochen schimmern, der merkwürdig wabenförmig wirkte, als sich der Speichel der Seeschlange hineinfraß. Die Kreatur drehte ihren gewaltigen Schädel wie ein Fisch, der an einem Haken hängt, holte zu einem Ruck aus, der entweder sein Bein abreißen oder ihn von der Reling lösen würde.
    Schluchzend hob Etta ihre Waffe. »Verflucht sollst du sein!«, schrie sie. »Verflucht, verflucht, verflucht!«
    Ihr Beil sauste herab, aber nicht dorthin, wo Kennit es vermutet hatte. Sie verschwendete ihre Energie nicht mit Hieben auf die schwer mit Schuppen gepanzerte Schnauze der Seeschlange. Stattdessen durchtrennte die Klinge mit einem vernehmlichen Krachen seine Knochen. Sie amputierte sein Bein unmittelbar über den Zähnen der Seeschlange und überließ ihr ein großes Stück! Er sah, wie das Blut aus dem übel zugerichteten Stumpf seines Beins strömte, als Etta ihn hastig zurückzog und mit ihm rückwärts über das Deck krabbelte. Er hörte wie aus weiter Ferne die ehrfürchtigen Schreie seiner Mannschaft, als die Seeschlange den Kopf noch höher hob und dann schlaff im Meer versank. Sie würde nie wieder auftauchen. Sie war tot. Und Etta hatte sein Bein an sie verfüttert.
    »Warum hast du das getan?«, fragte er schwach. »Was habe ich dir angetan, dass du mir mein Bein abhackst?«
    »Oh, mein Liebling, meine Liebe!«, jammerte sie, als ihm plötzlich schwarz vor Augen wurde und er das Bewusstsein verlor.

    Der Sklavenmarkt stank. Es war der übelste Geruch, der Wintrow jemals in die Nase gestiegen war. Er überlegte, ob die Ausdünstungen von Krankheit und Tod der eigenen Gattung einem von Natur aus widerlicher vorkamen als alle anderen Gerüche. Instinktiv wünschte er sich hier weg. Sein Widerwille saß ihm tief in den Knochen. Trotz des Elends, das er sah, war sein Ekel stärker als sein Mitleid und seine Wut. Aber so sehr er sich auch beeilte, es schien einfach keine Flucht aus diesem Viertel der Stadt zu geben.
    Er hatte schon früher gefangene Tiere gesehen, viele gefangene Tiere, und auch solche, die zum Schlachten zusammengetrieben worden waren. Aber sie hatten dumpf und verständnislos auf ihr Elend reagiert. Sie hatten wiedergekäut, mit ihren Schwänzen die Fliegen verscheucht und sich in ihr Schicksal gefügt. Tiere konnten in Pferchen oder Höfen gehalten werden. Man musste sie nicht fesseln oder ihnen Eisen anlegen. Und sie schrien und schluchzten ihr

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