Zauberschiffe 02 - Viviaces Erwachen
mächtig und weise und wurden von den Kreaturen respektiert und verehrt, die geringeren Geistes waren.«
»Und was ist dann passiert?«
Shreeva stellte die übliche Frage.
»Die Zeit kam, sich neu zu formen. Die Essenzen unserer eigenen Körper zu vermischen und so neue Geschöpfe zu schaffen, die an einer neuen Vitalität und an neuen Kräften teilhatten. Es war Zeit, den uralten Zyklus aus Vereinigung und Trennung zu vollziehen und dennoch zu wachsen. Es wurde Zeit, unsere Leiber zu erneuern.«
»Und was wird als Nächstes passieren?«, vollendete sie ihren Teil des Rituals.
»Alle werden zusammenkommen, zu der Zeit und an dem Ort der Sammlung. Alle Erinnerung wird geteilt werden, und alles, was einmal von einem sicher verwahrt wurde, wird allen zurückgegeben werden. Die Reise zur Wiedergeburt wird vervollständigt werden, und wir werden uns erneut triumphal erheben.«
»So sei es«, bestätigte Sessurea, der im Knäuel dicht neben ihnen lag. »So sei es.«
10. Candletown
Candletown war eine lebhafte kleine Handelsstadt auf der Halbinsel Marrow. Althea war schon früher einmal zusammen mit ihrem Vater hier gewesen. Als sie jetzt an Deck der Reaper stand und ihren Blick über den geschäftigen Hafen gleiten ließ, hatte sie plötzlich eine Eingebung. Als könnte sie die Viviace mit ihrem Vater an Bord angetäut an irgendeinem Kai finden, wenn sie von ihrem Schiff herunterspränge und die Docks entlangliefe. Er säße im Salon des Kapitäns und empfange die Händler der Stadt. Erstklassiger Brandy, geräucherter Fisch und besonders guter Käse ständen bereit. Es herrschte eine Atmosphäre kameradschaftlichen Verhandelns, wenn er seine Ware gegen ihre Güter oder ihr Geld anbot. Es wäre sauber und gemütlich in dem Raum, und Altheas Raum wäre das, was er einmal gewesen war, ihr persönlicher Himmel.
Die Sehnsucht, die sie plötzlich nach dieser Vergangenheit empfand, schmerzte fast körperlich in ihrer Brust. Wo ihr Schiff wohl war, und wie es der Viviace unter Kyles Behandlung ergehen mochte? Hoffentlich war Wintrow ihr ein guter Gefährte geworden, trotz Altheas eifersüchtiger Gewissheit, dass niemand die Viviace so gut kennen konnte wie sie. Bald, gelobte sie sich und ihrem fernen Schiff. Bald.
»Junge!«
Der scharfe Befehl ertönte hinter ihr, und sie sprang auf, bevor sie Brashens Stimme und seinen spöttischen Ton erkannte.
»Sir?«, fragte sie und drehte sich hastig um.
»Der Kapitän will dich sehen.«
»Ja, Sir«, antwortete sie und wollte loslaufen.
»Warte. Einen Moment noch.«
Sie hasste es, wie er sich verstohlen umsah, ob jemand in der Nähe war oder sie beobachtete. Wusste er denn nicht, dass er damit jedem Beobachter deutlich machte, dass es eine Heimlichkeit zwischen ihnen gab? Noch schlimmer war, dass er näher an sie herantrat, damit er leiser mit ihr reden konnte.
»Essen wir heute Abend zusammen an Land?«
Er klopfte auf seine Börse, so dass die Münzen darin leise klingelten.
Daneben baumelte ein frisch geprägtes Schiffszeugnis von seinem Gürtel herunter.
Sie zuckte mit den Schultern. »Vielleicht, wenn ich Freiwache bekomme.«
Sie überging geflissentlich seine Einladung.
Sein Blick glitt langsam über ihr Gesicht. »Die Wunde von dem Gift der Seeschlange ist beinahe weg. Ich fürchtete schon, dass du eine Narbe davontragen würdest.«
Althea zuckte gleichgültig mit den Schultern. Sie wollte nicht auf die Zärtlichkeit in seinem Blick reagieren. »Was bedeutet schon eine Narbe mehr oder weniger für einen Seemann? Ich bezweifle, dass irgendjemand an Bord sie überhaupt bemerkt hat oder darauf achten wird.«
»Also willst du auf dem Schiff bleiben?«
»Jedenfalls solange wir im Hafen sind. Aber ich glaube, dass ich von hier aus eine bessere Chance habe, ein Schiff zurück nach Bingtown zu erwischen als von irgendeinem der anderen kleineren Häfen, die die Reaper anlaufen wird.«
Sie wusste, dass sie es dabei bewenden lassen sollte, aber ihre Neugier war stärker. »Und du?«
»Das weiß ich noch nicht.«
Brashen grinste sie plötzlich an und gestand ihr dann: »Sie haben mir den Posten des Zweiten angeboten. Das ist fast die doppelte Heuer als die, mit der ich angefangen habe. Und es sieht auch auf dem Schiffszeugnis viel besser aus als die Position des Dritten Maats. Vielleicht bleibe ich einfach nur deswegen an Bord.
Ich habe ihnen zwar schon zugesagt, aber den Schiffsvertrag noch nicht unterschrieben.«
Er musterte Althea aufmerksam, als er weitersprach:
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