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Zauberschiffe 02 - Viviaces Erwachen

Titel: Zauberschiffe 02 - Viviaces Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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legte sich feucht auf ihre Beine. Sie war geknebelt, und man hatte ihr die Hände auf den Rücken gebunden. Hätte sie nicht gefürchtet, dass er sie einfach fallen ließ, dann hätte sie sich gewehrt. Und außerdem hatte sie keine Ahnung, wo sie war und was mit ihr passieren würde, wenn sie ihrem Entführer entkam. Auch wenn es ihr Furcht einflößte, so waren seine Schultern doch der sicherste Platz, den sie im Augenblick hatte. Sie wusste nichts über den Mann, der sie trug, außer, dass er bis zum Tod kämpfen würde, um sie zu behalten.
    Sie kamen irgendwo an. Alle blieben stehen und derjenige, der sie getragen hatte, stellte sie jetzt auf die Füße. Aber er hielt sie fest. Sie hörte eine gedämpfte Unterhaltung, schnelle, abgehackte Worte in einer Sprache, die sie nicht verstand. Die anderen schienen lachend auf etwas zu drängen, das ihr Träger freundlich, aber entschieden verweigerte. Nach einer Weile hörte sie, wie sich Schritte entfernten. Sie spürte, dass die anderen gegangen waren. Sie war allein mit dem Mann, der immer noch ihre gefesselten Hände festhielt. Sie zitterte.
    Dann fühlte sie kaltes Metall an ihren Handgelenken, und plötzlich waren ihre Hände frei. Sie riss sich sofort den Sack herunter und zog den nassen Knebel aus ihrem Mund. Sie war von dem Staub und den Fasern des Sacks immer noch halb blind. Sie strich sich über Gesicht und Haar und wirbelte herum, um sich ihrem Häscher zu stellen.
    Sie standen allein in der dunklen, nebligen Nacht. Sie befanden sich in einer Stadt und an einer Kreuzung. Mehr konnte sie nicht erkennen. Er verharrte erwartungsvoll neben ihr. Von seinem Gesicht konnte sie nichts sehen. Seine dunkle Kapuze hatte er weit heruntergezogen, und er beobachtete sie aus ihrem Schutz heraus. Es roch sumpfig und schwül, und die einzige Lichtquelle waren Fackeln am Ende der Straße, die in dem feuchten Nebel kaum zu sehen waren. Würde er sich auf sie stürzen, wenn sie weglief? Was sollte dieses Katz-und-Maus-Spiel? Und geriet sie nur in größere Gefahr, wenn sie floh? Bald schien es ihr, als beobachte er sie nur und wartete, bis sie eine Entscheidung getroffen hatte.
    Nach einer Weile gab er ihr ein Zeichen mit dem Kopf, ihr zu folgen. Er ging rasch eine Straße entlang, und sie folgte ihm.
    Schnell und selbstsicher bewegte er sich durch das Labyrinth der Stadt. Kurz darauf nahm er ihre Hand. Sie zog sie nicht weg.
    Der Nebel war dicht und feucht, erschwerte die Sicht, brannte in den Augen und erstickte sie beinahe. Sie konnte kaum ihre Umgebung erkennen, so finster war es. Wenn der Nebel sich kurz lichtete, sah sie hohe Gebäude auf beiden Seiten der Straße. Ihr Begleiter schien zu wissen, wohin er wollte. Er umklammerte mit seiner warmen, trockenen Hand ihre kalten Finger.
    Schließlich bog er ab, stieg einige Stufen hinunter und öffnete eine Tür. Im selben Moment drangen Geräusche nach draußen.
    Musik, Gelächter und Stimmengewirr schlugen ihr entgegen, aber alles in einer Sprache, die sie nicht kannte. Für sie bedeutete es nur Lärm. Betäubender Lärm, so dass sie ihren Begleiter, auch wenn sie ihn verstanden hätte, nicht einmal hätte hören können. Es war vermutlich eine Art Gaststätte oder Taverne. Überall standen runde Tische mit einer einzigen, stummeligen Kerze in der Mitte. Er führte sie an einen leeren Tisch und bedeutete ihr, sich hinzusetzen. Dann setzte er sich auf den Stuhl ihr gegenüber und schob die Kapuze zurück.
    In ihrem Traum kam es ihr wie eine lange Zeit vor, in der sie einfach nur dasaßen. Vielleicht hörte er der Musik zu, aber es war für sie so gleichbleibend laut, dass es sie fast taub machte. Im Kerzenlicht konnte sie jetzt endlich das Gesicht ihres Begleiters erkennen. Er war gutaussehend, wenn auch etwas blaß. Er trug keinen Vollbart, war blond, und seine Augen hatten einen warmen Braunton. Nur ein weicher, kleiner Schnurrbart zierte seine Oberlippe. Er hatte breite Schultern und muskulöse Arme. Zunächst tat er nichts anderes, als sie anzublicken. Nach einer Weile streckte er über den Tisch seine Hand aus. Sie legte die ihre hinein. Er lächelte. Sie empfand plötzlich, dass sie ein perfektes Verständnis erreicht hatten, und war froh, dass keine Worte dies stören konnten. Es schien eine lange Zeit zu verstreichen. Dann griff er in eine Börse und holte einen Ring mit einem einfachen Stein heraus. Sie betrachtete ihn und schüttelte den Kopf. Sie wollte den Ring nicht ablehnen, sondern nur zeigen, dass sie kein

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