Zauberschiffe 02 - Viviaces Erwachen
konnte. Er war kein Gegner für ihre jugendliche Gerissenheit.
Und je älter sie wurde, desto weniger würde er ihr widerstehen können. Offenbar glaubte sie, dass ihr nur die Großmutter im Weg stand. Malta hatte ihre eigene Mutter bereits als unwichtig fallen gelassen.
Und war sie das nicht auch? Seit Jahren schon war sie nur im Haushalt mitgeschwommen. Ihr Vater war gesegelt, und ihre Mutter führte die Geschäfte an Land. Sie lebte immer noch im Haus, wie immer. Wenn Kyle nach Hause gekommen war, dann hatten sie seine Heuer meistens für ihre eigenen Zwecke ausgegeben. Jetzt war ihr Vater tot, und Kyle und ihre Mutter stritten, wer das Ruder in der Hand behielt. Während Malta ihre Mutter in ein Gefecht darüber verwickelte, wer die Regeln im Haushalt festlegte. Ganz gleich, wie es entschieden wurde, Keffria blieb dabei unsichtbar und unbeachtet. Malta achtete nicht auf ihre verzweifelten Bemühungen, Autorität auszuüben. Niemand tat das.
Keffria ging durch das Zimmer. »Mutter, gib mir das Geschenk«, verlangte sie gebieterisch. »Da meine Tochter dieses unselige Missverständnis verursacht hat, liegt es auch an mir, diese Angelegenheit zu klären.«
Einen Moment glaubte sie, dass ihre Mutter ihr diese Bitte abschlagen würde. Doch dann reichte sie ihr die Dose, nachdem sie Malta einen kurzen Seitenblick zugeworfen hatte.
Keffria nahm sie in Empfang. Sie wog nicht viel, und Keffria nahm den schwachen Duft wahr, den sie ausstrahlte, süßer als Sandelholz. Malta folgte der Dose mit einem Blick, mit dem ein hungriger Köter ein Stück rohes Fleisch beäugt. »Ich werde ihnen gleich morgen früh schreiben. Ich denke, ich kann die Kendry bitten, die Dose für mich den Fluss hinauf zu bringen.«
Ihre Mutter nickte. »Aber achte darauf, die Dose sorgfältig einzupacken. Niemand darf wissen, was hier zurückgebracht wird. Die Ablehnung eines Brautwerbens ist eine heikle Angelegenheit, ganz gleich, aus welchem Grund man es tut. Es wäre das Beste, wenn es ein Geheimnis zwischen den beiden Familien bleibt.«
Als Keffria nickte, wandte sich ihre Mutter plötzlich an Malta. »Hast du das verstanden, Malta? Du darfst darüber nicht mit anderen sprechen, weder mit deinen kleinen Freundinnen noch mit Dienstboten. Dieses Missverständnis muss ein für allemal aus der Welt geschafft werden.«
Das schmollende Mädchen sah sie stumm an.
»Malta!«, fuhr Keffria sie an, und ihre Tochter zuckte zusammen. »Hast du das verstanden? Antworte!«
»Ich habe es verstanden«, murmelte sie. Sie warf ihrer Mutter einen trotzigen Blick zu und lümmelte sich dann noch tiefer in ihren Sessel.
»Gut. Dann ist die Sache beschlossen.«
Keffria wollte den Streit beenden, solange sie noch im Vorteil war. »Und ich will ins Bett gehen.«
»Warte.«
Ronicas Stimme klang ernst. »Es gibt noch etwas, das du über die Traumdose wissen musst, Keffria. Es sind keine gewöhnlichen Geschenke. Jede Dose wird speziell angefertigt, für eine ganz bestimmte Person.«
»Und wie?«, fragte Keffria unwillig.
»Das weiß ich natürlich nicht. Aber ich weiß, dass der Hersteller ein persönliches Stück von dem Empfänger braucht, um sie zu erschaffen.«
Ihre Mutter seufzte, als sie sich auf dem Stuhl zurücklehnte. »So etwas wird nicht zufällig vor unserer Tür abgelegt. Es war speziell an Malta gerichtet.«
Sie schüttelte leidgeprüft den Kopf. »Malta muss einem Regenwildnis-Mann etwas von sich gegeben haben. Etwas Persönliches, aus dem er ein Geschenk konstruiert hat.«
»O nein, Malta!«, rief Keffria entsetzt.
»Hab ich nicht!«
Malta setzte sich trotzig auf. »Hab ich gar nicht!«
Sie schrie fast.
Keffria stand auf und ging zur Tür. Sie überzeugte sich, dass sie fest verschlossen war, bevor sie zurückkam und ihre Tochter zur Rede stellte. »Ich will die Wahrheit wissen«, sagte sie ruhig.
»Was ist passiert? Wie hast du diesen jungen Mann getroffen?
Warum glaubt er, dass du ein Brautwerbegeschenk von ihm akzeptieren würdest?«
Malta sah zwischen den beiden hin und her. »Es war auf der Händlerversammlung«, gab sie angewidert zu. »Ich bin nach draußen gegangen, um frische Luft zu schnappen. Im Vorbeigehen habe ich einem Kutscher guten Abend gesagt. Ich glaube, er lehnte an der Kutsche der Khuprus. Das ist alles.«
»Wie sah er aus?«, wollte Ronica wissen.
»Weiß ich nicht«, erwiderte Malta. Ihre Stimme klang sarkastisch. »Er kam aus der Regenwildnis. Dort tragen sie Schleier und Kapuzen, weißt du?«
»Ja, das
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