Zauberschiffe 02 - Viviaces Erwachen
Zellen neben ihm waren viele verschiedene Gefangene gekommen und gegangen. Ein Betrunkener, der von seiner weinenden Frau gerettet wurde, eine Prostituierte, die ihren Kunden verletzt hatte und als Strafe gebrandmarkt wurde. Ein Pferdedieb, den man gehenkt hatte. Im Kerker des Satrapen ließ die Justiz – oder doch zumindest die Strafe – nicht lange auf sich warten.
Vor seinem Käfig führte ein mit Stroh bedeckter Gang entlang.
Und auf dessen anderer Seite befand sich eine ähnliche Reihe von Zellen. In denen befanden sich Sklaven. Widerspenstige und unerwünschte Sklaven, Kartenvisagen mit zernarbten Rücken und Beinen kamen und gingen, in Eisen gelegt. Sie wurden billig verkauft und mussten hart arbeiten. Sie redeten nicht viel, nicht einmal miteinander. Wintrow vermutete, dass sie wenig hatten, worüber sie sich unterhalten konnten. Nehmt einem Menschen jede Selbstbestimmung, dann kann er nur noch jammern. Das taten sie auch, aber auf eine resignierte Art und Weise, die Wintrow klarmachte, dass sie keine Wendung zum Besseren erwarteten. Sie erinnerten Wintrow an angekettete, kläffende Hunde. Die verdrossenen Kartenvisagen auf der andere Seite waren sicher gut für schwere Arbeit auf den Feldern und den Obstplantagen, aber viel mehr konnte man nicht mit ihnen anfangen. Soviel schloss er aus dem, was er aus ihren Gesprächen belauscht hatte. Die meisten Frauen und Männer, die man ihm gegenüber eingesperrt hatte, waren schon seit Jahren Sklaven und erwarteten auch, ihr Leben als Sklaven zu beenden. Trotz Wintrows Widerwillen gegen das System der Sklaverei fiel es ihm schwer, Mitleid mit ihnen zu empfinden.
Einige waren anscheinend auf das Niveau von Arbeitstieren herabgesunken. Sie beweinten zwar ihr schweres Los, fanden aber nicht mehr die Willenskraft, sich dagegen zu wehren.
Nachdem er sie die wenigen Tage beobachtet hatte, verstand er, warum einige von Sas Anhängern solche Sklaven ansehen und glauben konnten, dass sie nach Sas Willen dazu geworden waren.
Er konnte sich diese Menschen nur schwer als freie Männer und Frauen vorstellen, die Ehegatten, Kinder und Heime hatten und ordentlich ihren Lebensunterhalt verdienten. Er glaubte zwar nicht, dass sie ohne Seele geboren waren und das Sklavendasein ihnen vorherbestimmt war. Aber noch nie zuvor hatte er Menschen gesehen, denen so gründlich jeder Funken menschlichen Geistes fehlte. Immer wenn er sie beobachtete, kroch eine eiskalte Furcht durch seine Gedärme. Wie lange würde es dauern, bis er so war wie sie?
Er hatte noch einen Tag, an dem er sich etwas ausdenken konnte. Morgen früh würden sie kommen und ihn zum Tätowierungsblock schleppen. Sie würden ihn an Händen und Füßen an die schweren Krampen fesseln und seine Stirn in diese lederumrandete Schraubzwinge drücken. Dort würde er eine kleine Markierung erhalten, die ihn als einen Sklaven des Satrapen auswies. Wenn der Satrap ihn behalten wollte, wäre dies die einzige Tätowierung, die er jemals tragen würde. Aber der Satrap würde ihn nicht behalten. Er hatte keine besonderen Fertigkeiten, wegen denen der Satrap ihn für wert erachtete, ihm zu dienen. Er würde sofort verkauft werden. Und wenn er verkauft worden war, würde eine neue Tätowierung, das Siegel seines neuen Besitzers, in sein Gesicht gestochen werden.
Er wusste nicht, was er tun sollte. Wenn er den Wächter rief und der einen Mann zum Hafen schickte, würde sein Vater kommen und ihn holen. Oder jemanden schicken, das zu tun.
Dann würde er zum Schiff zurückgebracht werden und in eine noch größere Gefangenschaft geraten. Aber wenigstens trug sein Gesicht dann keine Narben. Wenn er seinen Vater nicht um Hilfe bat, würde er tätowiert, verkauft und erneut tätowiert werden. Falls er weder fliehen oder sich aus der Sklaverei freiarbeiten konnte, würde er für immer das Eigentum von jemandem bleiben, jedenfalls laut Gesetz. In beiden Fällen würde er kein Priester des Sa mehr werden. Und da er entschlossen war, seiner Berufung zu folgen und Priester zu werden, entschlossen war, in sein Kloster heimzukehren, blieb nur noch die Frage zu klären, welche der beiden Möglichkeiten ihm die besseren Chancen bot.
Und an genau diesem Punkt hakten seine Gedanken. Er wusste es einfach nicht.
Also blieb er einfach in einer Ecke seines Kerkers sitzen und beobachtete müßig die Käufer, die kamen, um die billigen und unerwünschten Sklaven zu begutachten, die ihm gegenüber hockten. Er war hungrig, ihm war kalt, und es war
Weitere Kostenlose Bücher