Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Zauberschiffe 02 - Viviaces Erwachen

Titel: Zauberschiffe 02 - Viviaces Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
Vom Netzwerk:
Weiter im Süden, wo Ephron mit ihr hingesegelt war, prangten jetzt schon die Obstbäume mit weißen und rosa Blüten. Irgendwo da unten im Süden war es warm und schön. Aber sie würde nach Norden segeln, nach Chalced. Das Hämmern und Sägen in ihr hatte endlich aufgehört. Ihr Umbau zum Sklavenschiff war beendet. Heute würden sie die letzten Vorräte laden und morgen sollte die menschliche Fracht zu ihr gebracht werden. Sie würde Jamaillia verlassen, allein. Wintrow war fort. Sobald sie Anker lichteten, würden eine oder mehrere Seeschlangen sich aus dem Schlamm des Hafenbeckens erheben und ihr folgen.
    Seeschlangen waren von jetzt an ihre Gefährten. Letzte Nacht, als es im Hafen still war, hatte sich eine Kleine aus dem Schlamm erhoben und sich zwischen die vor Anker liegenden Sklavenschiffe geschoben. Als sie zu ihr gekommen war, hatte sie den Kopf über Wasser gehoben und sie vorsichtig gemustert. Etwas an ihrem Blick hatte Viviace beinahe den Atem genommen. Sie konnte nicht einmal die Wache rufen.
    Wenn Wintrow an Bord gewesen wäre, hätte wenigstens jemand ihre Angst gespürt und wäre zu ihr gekommen. Sie vertrieb die Gedanken an ihn. Ab jetzt musste sie auf sich selbst aufpassen.
    Das Gefühl des Verlustes war wie ein Stich in ihrem Herzen. Sie ignorierte es. Sie verweigerte sich allem. Es war ein entzückender Tag. Sie lauschte den Wellen, die gegen ihren Rumpf schlugen. Es war so friedlich.
    »Schiff? Viviace?«
    Sie drehte langsam den Kopf und sah zurück. Gantry stand auf dem Vordeck und beugte sich über das Geländer, um mit ihr zu sprechen.
    »Viviace? Könntest du damit aufhören? Es macht die ganze Mannschaft nervös. Wir haben heute zwei Matrosen zu wenig.
    Sie sind von ihrem Landurlaub nicht zurückgekommen. Und ich glaube, das liegt daran, weil du ihnen Angst eingeflößt hast.«
    Angst einflößen? Was konnte an Isolation und Einsamkeit und Seeschlangen, die kein anderer sah, so Angst einflößend sein?
    »Viviace? Ich hole Findus, damit er dir mit seiner Fiddel etwas vorspielt. Und ich habe heute selbst ein paar Stunden Freiwache.
    Ich verspreche dir, dass ich jeden Moment damit verbringe, nach Wintrow zu suchen. Das verspreche ich dir.«
    Glaubten sie denn wirklich, dass sie das glücklich machte?
    Wenn sie Wintrow fanden und ihn wieder an Bord zerrten, ihn zwangen, ihr zu dienen, glaubten sie wirklich, dass sie dann zufrieden war? Kyle würde das glauben. Auf diese Weise hatte Kyle Wintrow ja überhaupt erst zu ihr gebracht. Kyle Haven hatte keine Ahnung, wie man ein williges Herz gewinnt.
    »Viviace«, meinte Gantry verzweifelt. »Bitte. Bitte, kannst du aufhören zu schaukeln? Das Wasser ist heute spiegelglatt. Alle anderen Schiffe im Hafen liegen ruhig da. Bitte.«
    Sie empfand Mitleid mit Gantry. Er war ein guter Maat und ein sehr fähiger Seemann. Er trug an dem hier keine Schuld. Er sollte nicht darunter leiden müssen.
    Aber sie auch nicht.
    Sie nahm ihre ganze Kraft zusammen. Er war ein guter Seemann, und sie schuldete ihm eine kleine Erklärung. »Ich verliere mich«, sagte sie und begriff dann, wie eigenartig das klang. Sie versuchte es noch einmal. »Es ist nicht so schwer, wenn ich weiß, dass jemand zurückkommt. Aber wenn ich das nicht weiß, dann fällt es mir schwerer, an dem festzuhalten, wer ich bin. Ich denke… Nein. Ich denke nicht. Es ist fast wie ein Traum, nur dass wir Zauberschiffe nicht schlafen können.
    Aber es ist wie ein Traum, und in diesem Traum bin ich jemand anders. Etwas anderes. Und wenn die Seeschlangen mich berühren, macht es die ganze Sache noch schlimmer.«
    Der Mann wirkte noch besorgter. »Seeschlangen?«, wiederholte er zweifelnd.
    »Gantry«, sagte sie schwach. »Gantry, hier im Hafen sind Seeschlangen. Sie verbergen sich im Schlamm.«
    Er holte tief Luft und stieß sie mit einem Seufzer wieder aus.
    »Das hast du mir schon vorhin gesagt. Aber, Viviace, niemand sonst hat eine Spur von ihnen gesehen. Deshalb glaube ich, dass du dich irrst.«
    Er hielt inne und wartete auf eine Antwort.
    Sie wandte den Blick von ihm ab. »Wenn Wintrow hier wäre, würde er sie spüren. Er wüsste, dass ich nicht verrückt bin.«
    »Leider«, erwiderte Gantry zögernd, »ist er nicht hier. Und ich weiß auch, dass dich das unglücklich macht. Vielleicht jagt es dir ja auch ein kleines bisschen Angst ein.«
    Er schwieg einen Moment, und als er weitersprach, nahm seine Stimme einen aufmunternden Tonfall an, als spräche er mit einem nervösen Kind. »Vielleicht

Weitere Kostenlose Bücher