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Zauberschiffe 02 - Viviaces Erwachen

Titel: Zauberschiffe 02 - Viviaces Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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verunstaltet. Weder weinte er, noch jammerte er, aber schlafen konnte er auch nicht. Er starrte einfach nur in die Dunkelheit und streckte seine Fühler aus. Er teilte ihre Wahrnehmung der Sklaven und von ihrem Elend.
    Wintrow litt mit an der Verzweiflung der Sklaven. Er kannte das ganze Ausmaß ihrer Verzagtheit, von den geistig Zurückgebliebenen, die diese Veränderung in ihrem Leben nicht begreifen konnten, bis zu dem alternden Bildhauer, dessen Frühwerke immer noch die Privatgemächer des Satrapen zierten. In der dunkelsten und niedrigsten Ecke des Frachtraums, unmittelbar über der Bilge, befanden sich die Sklaven, die den wenigsten Wert besaßen. Kartengesichter, die kaum mehr galten als menschlicher Ballast. Die Überlebenden würden für jeden beliebigen Preis in Chalced verschachert werden. In einem sicheren, trockenen Laderaum, in dem oft Seidenballen oder Weinfässer lagerten, drängten sich Künstler.
    Diesen hatte man Stroh und längere Ketten gegeben, damit sie aufrecht stehen konnten, wenn sie sich abwechselten. Kyle hatte sich leider nicht so viele von ihnen sichern können, wie er eigentlich vorgehabt hatte. Der Hauptteil seiner Ladung bestand aus einfachen Arbeitern und Handwerkern, aus Lohnarbeitern, die Opfer der schweren Zeiten geworden waren, Schmieden, Weinbauern und Spitzenklöpplern, die sich durch Krankheit, Sucht oder schlechte Urteilskraft verschuldet hatten und jetzt mit ihrer eigenen Haut die Verwirkung ihrer Schulden zahlen mussten.
    Im Vorschiff dagegen hielten sich Menschen auf, die ein ganz anderer Schmerz plagte. Einige Männer der Mannschaft hatten von Anfang an Widerstände gegen die Pläne des Kapitäns gehabt.
    Andere hatten nicht weiter darüber nachgedacht und geholfen, die Krampen und Ringbolzen anzubringen, als handle es sich einfach nur um eine andere Art von Netzen, um die Ladung zu sichern. Aber in den letzten beiden Tagen war es dann Wirklichkeit geworden. Die Sklaven kamen an Bord, Frauen, Männer und einige halbwüchsige Kinder. Alle trugen Tätowierungen. Einige trugen ihre Fesseln geübt, während andere gegen die Ketten kämpften und sie immer noch ungläubig anstarrten. Und noch keiner von ihnen war jemals im Laderaum eines Schiffes gereist. Alle Sklaven jedoch, die Jamaillia verließen, gingen nach Chalced. Und bisher war noch keiner zurückgekommen. Und jeder Mann aus der Mannschaft lernte, dass man ihnen niemals in die Augen sehen und auch nicht darauf achten durfte, wie sie flehten, fluchten oder wüteten.
    Sie waren Ladung. Vieh. Blökende Schafe wurden ja auch in die Ställe geschoben, bis keine mehr hineinpassten. Jeder Mann kam auf seine Weise damit klar, verarbeitete auf seine Art den Anblick tätowierter, gefesselter Menschen. Comfreys lustige Art veränderte sich schon am ersten Tag schlagartig. Mild dagegen versuchte, es auf die leichte Art zu meistern. Aber seine Witze waren nicht komisch, sondern Salz in der Wunde eines gepeinigten Gewissens. Gantry blieb ruhig und tat seine Arbeit.
    Aber er wusste, dass er nie wieder auf einem Sklavenschiff segeln würde, wenn diese Fahrt vorbei war. Nur Torg schien zufrieden, ja sogar befriedigt zu sein. In der tiefsten Ecke seiner schmierigen kleinen Seele lebte er jetzt endlich die geheimsten Phantasien seiner Jugend aus. Er ging die Reihen der angeketteten Sklaven entlang und genoss ihre Gefangenschaft.
    Jetzt endlich konnte er sich frei fühlen. Er hatte sich bereits einige vorgemerkt, die seiner Aufmerksamkeit bedurften, diejenigen, die in den Genuss seiner »Sonderdisziplin« kommen würden. Viviace bemerkte, dass Torg wie ein Stück Aas war, das man umgedreht hatte und dessen Maden jetzt im Tageslicht arbeiteten.
    Sie und Wintrow spiegelten das Elend des jeweils anderen wider. Und bei all dieser Verzweiflung hegte sie die Gewissheit, dass ihr dies niemals hätte passieren können, wenn ihre Familie ihr treu geblieben wäre. Führte einer von ihrem Blut das Schiff, hätte der Kapitän gefühlt, was sie empfand. Sie wusste, dass Ephron Vestrit ihr so etwas niemals zugemutet hätte.
    Althea wäre ebenfalls niemals dazu in der Lage gewesen. Doch Kyle Haven achtete nicht auf sie. Sollte er irgendwelche Bedenken haben, dann teilte er sie jedenfalls niemandem mit.
    Das einzige Gefühl, das Wintrow an seinem Vater feststellte, war der hasserfüllte Zorn, den er für sein eigen Fleisch und Blut empfand. Viviace vermutete, dass Kyle sie als ein doppeltes Problem betrachtete: das Schiff, das seinen Wünschen nicht

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