Zauberschiffe 02 - Viviaces Erwachen
tat das nicht.
Bis heute Abend. Sie waren in die Küche gekommen, als die Schatten länger wurden. In einer fürchterlichen Parodie auf die alten Tage hatten sie zusammen gekocht, Gemüse geputzt und geschält, gebraten und gerührt und dabei die ganze Zeit die Abfolge der Weine und Tees besprochen, überlegt, wie stark sie den Kaffee machen wollten und welches Tischtuch aufgelegt werden würde. Sie sprachen nur sehr wenig darüber, warum die Festrews sich bei ihnen gemeldet und ihnen mitgeteilt hatten, dass sie heute Abend kommen würden. Obwohl die Zahlung erst in ein paar Tagen fällig war, stand das Gold bereits in einer Kiste neben der Tür. Und unausgesprochen schwebte das Wissen zwischen ihnen, dass es keine Antwort auf Keffrias Brief gegeben hatte. Immerhin, die Khuprus waren ja nicht die Festrews. Vermutlich gab es keinerlei Verbindung zwischen den beiden Sippen. Vermutlich nicht.
Seit Keffria zur Frau geworden war, wusste sie, dass die Regenwildhändler zweimal im Jahr kamen, um die Ratenzahlung für das Zauberschiff abzuholen. Sie wusste auch, dass diese Zahlungen sich steigerten, nachdem ein Lebensschiff erwacht war. Das war ganz normal. Die Größe der Zahlungen spiegelte die Erwartung wider, dass das Zauberschiff für den Handel auf dem Regenwildfluss benutzt wurde, um die exotischen und sehr profitablen Regenwildgüter zu transportieren. Die meisten Besitzer von Zauberschiffen wurden sehr schnell wohlhabend, nachdem ihre Lebensschiffe erwacht waren. Die Vestrits dagegen gehörten nicht dazu.
Manchmal fragte sich Keffria, ob die Entscheidung ihres Vaters, nicht mit magischen Gütern zu handeln, wirklich klug gewesen war. Manchmal, wie zum Beispiel heute.
Als das Essen fertig und der Tisch gedeckt war, setzten sich die beiden Frauen ruhig neben den Herd. Keffria machte Tee und schenkte ihrer Mutter und sich eine Tasse ein. »Wir sollten eigentlich Malta holen«, schlug sie vor. »Sie sollte lernen, wie…«
»Sie hat schon mehr gelernt, als wir vermutet haben«, lehnte ihre Mutter müde ab. »Nein, Keffria. Hör auf mich. Du und ich hören uns gemeinsam das Anliegen der Festrews an, und dann entscheiden wir. Ich fürchte, dass die Entscheidungen, die wir heute Abend zu treffen haben, den zukünftigen Kurs der Vestrit-Familie bestimmen.«
Sie sah ihrer Tochter in die Augen. »Ich will dich nicht verletzen, aber ich weiß nicht, wie ich es vorsichtiger ausdrücken soll. Wir beide sind die letzten Vestrit-Frauen. Malta ist Haven bis auf die Knochen. Ich will nicht behaupten, dass Kyle Haven ein schlechter Mann ist. Ich sage nur, dass dies, worüber heute Abend beraten wird, von Bingtown-Händlern entschieden werden muss. Und die Havens sind keine Bingtown-Händler.«
»Wir machen es, wie du willst«, erwiderte Keffria erschöpft.
Irgendwann ist sie tot, dachte sie ohne Groll, und ich bin nicht mehr im Mahlwerk zwischen euch beiden gefangen. Vielleicht kann ich dann alles an Kyle übergeben und den Rest meiner Zeit in meinen Gärten verbringen. Ich muss nur noch daran denken, welche Rosen beschnitten werden oder ob es schon Zeit ist, die Irisbüsche zu stutzen. Endlich Ruhe. Sie war sicher, dass Kyle sie in Ruhe lassen würde. Wenn sie in diesen Tagen an ihren Ehemann dachte, war es, als schlüge sie eine Glocke an, die einen Sprung hatte. Sie konnte sich noch daran erinnern, was für einen wundervollen Klang sein Name einmal in ihrem Herzen erzeugt hatte, aber jetzt konnte sie ihn weder hören noch erzeugen. Liebe, dachte sie niedergeschlagen, beruht auch auf materiellen Dingen. Familienliebe, die Liebe in der Ehe und selbst die Liebe ihrer Tochter für sie. All das beruhte auf Dingen und auf der Macht, diese Dinge zu beherrschen. Wenn man diese Macht an Leute abgab, dann liebten sie einen.
Komisch. Seit sie das entdeckt hatte, kümmerte es sie kaum noch, ob jemand sie liebte oder nicht.
Sie nippte an ihrem Tee und beobachtete das Feuer, das langsam herunterbrannte. Von Zeit zu Zeit legte sie ein Scheit nach. An den einfachen Dingen konnte sie sich immer noch erfreuen. An der Wärme des Feuers, an einer Tasse Tee. Sie würde genießen, was ihr geblieben war.
Irgendwo in der Ferne ertönte ein Gongschlag. Ihre Mutter stand hastig auf und warf einen letzten prüfenden Blick durch die Küche. Die Lichter im Zimmer waren schon längst gedämpft worden, aber jetzt steckte sie auch noch kleine Hauben aus Blättern um die Kerzen, um sie noch dämmriger zu machen.
»Mach frischen Tee«, sagte sie leise.
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