Zauberschiffe 02 - Viviaces Erwachen
nicht verdient«, verkündete eine leise Stimme. »Ich verstehe einfach nicht, warum sie dich lieben. Ich würde ja sagen, dass ich deinen Untergang genießen würde, wenn sie dein wahres Wesen erkennen, aber es wäre auch der Tag, an dem ihre Herzen brechen würden. Welchem Glück verdankst du die Loyalität solcher Menschen?«
Müde hob er die Hand. Das kleine Gesicht, das an seinen Arm gebunden war, starrte ihn an. Er lachte verächtlich, als er die empörte Miene sah. » Meinem Glück. Das Glück meines Namens und das Glück meines Blutes, dadurch verdiene ich es.«
Dann lachte er, diesmal über sich selbst. »Die Loyalität einer Hure und eines Briganten. Was für ein Schatz.«
»Dein Bein verrottet«, sagte das Gesicht bösartig. »Es verrottet bis auf den Knochen. Weil du nicht den Mut hast, deine eigene Fäulnis aus deinem Körper zu schneiden.«
Es grinste ihn höhnisch an. »Verstehst du meine Parabel, Kennit?«
»Halt den Mund!«, sagte er benommen. Er schwitzte wieder.
Er schwitzte in sein schönes neues Hemd, in sein frisch bezogenes Bett. Er schwitzte wie ein stinkender alter Trunkenbold. »Wenn ich böse bin, was soll ich dann von dir sagen? Du bist ein wesentlicher Teil von mir.«
»Dieses Stück Holz hatte einmal ein Herz«, erklärte das Amulett. »Du hast dein Gesicht auf mich gelegt, und deine Stimme dringt aus meinem Mund. Ich bin an dich gebunden.
Aber Holz erinnert sich. Ich bin nicht du, Kennit. Und ich schwöre dir, dass ich auch niemals du sein werde!«
»Darum hat… dich… auch keiner… gebeten.«
Er atmete schwerer und schloss die Augen, als er in einen tiefen Schlaf sank.
15. Trotz und Übereinkunft
Ihr erster Sklave starb am frühen Nachmittag. Die Verladung war nur langsam und unter Schwierigkeiten vor sich gegangen. Ein Ostwind hatte das Wasser aufgewühlt, während gleichzeitig Wolkengebirge am Horizont einen weiteren Wintersturm für den Morgen ankündigten. Die angeketteten Sklaven wurden zum Ankerplatz der Viviace hinausgerudert. Dort mussten die Sklaven die Strickleiter hinaufklettern, die über ihre Seite hing.
Einige der Sklaven waren in einem erbärmlichen Zustand, andere fürchteten sich vor der Leiter. Wieder andere stellten sich einfach sehr ungeschickt an, als sie aus dem schwankenden Boot die Leiter des Schiffes hinaufklettern sollten. Aber der Mann, der starb, tat das aus freien Stücken. Er war schon halb die Leiter hinauf und kletterte unbeholfen weiter, weil seine Füße immer noch aneinander gebunden waren, als er plötzlich auflachte. »Ich glaube, ich nehme lieber den kurzen Weg anstelle des langen!«, rief er und trat von der Leiter weg. Er schoss wie ein Pfeil ins Wasser, weil das Gewicht der Kette an seinen Füßen ihn geradewegs nach unten zog. Er hätte sich nicht einmal mehr retten können, wenn er seine Meinung geändert hätte.
Weit unten im dunklen Wasser entrollte sich plötzlich ein Knäuel Seeschlangen. Viviace spürte ihr Geifern um die Beute.
Das salzige Blut des Mannes vermischte sich kurz mit dem Seewasser, das gegen ihre Hülle schwappte. Ihr Entsetzen war umso stärker, weil die Männer an Deck nichts bemerkten. »Da unten sind Seeschlangen!«, rief sie ihnen zu, aber sie ignorierten sie, wie sie auch das Flehen der Sklaven ignorierten.
Nach diesem Vorfall ließ Torg verärgert die Sklaven zusammenbinden. Das machte es ihnen noch schwieriger, an Bord zu klettern. Torg jedoch schien sich diebisch darüber zu freuen, dass jeder, der zu springen versuchte, sich vor den übrigen verantworten musste. Niemand versuchte es, und der Maat gratulierte sich zu seiner Gerissenheit.
In ihren Frachträumen ging es noch schlimmer zu. Die Sklaven strahlten aus allen Poren ihr Elend aus, bis eine Atmosphäre von Unglück beinahe greifbar das gesamte Innere von Viviace erfüllte. Die Sklaven wurden wie Fische in ein Fass gepackt und dabei auch noch aneinander gekettet. Deshalb konnten sie sich ohne die Hilfe ihrer Schiffskameraden nicht einmal bewegen.
Die Frachträume verfinsterten sich von ihrer Furcht, sie schieden sie mit ihrem Urin aus und weinten sie mit ihren Tränen heraus, bis Viviace mit menschlichem Elend bis obenhin angefüllt war.
In seinem Kettenschrank saß Wintrow. Er vibrierte im Gleichklang mit ihr und fügte dem Wehklagen seine besondere Note hinzu. Wintrow, der sie verlassen hatte, befand sich wieder an Bord. Er lag in der Dunkelheit auf den Planken, Knöchel und Handgelenke gefesselt, und sein Gesicht war mit ihrem Bildnis
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