Zauberschiffe 02 - Viviaces Erwachen
Gantrys Laterne. »Sas Gnade sei mit dir«, sagte er leise. »Ich bin Sa’Adar.«
Gantry antwortete weder auf die Begrüßung, noch sagte er etwas dazu, dass der Mann behauptete, ein Priester zu sein.
Wintrow schien es, als wäre es dem Maat unangenehm, einem Sklaven vorgestellt zu werden. Er hockte sich hin und berührte die glühende Haut des Sterbenden. »Fieber«, sagte er, als könnte noch jemand daran zweifeln. »Bringen wir ihn raus, bevor er es verbreitet.«
Gantry schlängelte sich an die schwere Krampe heran, die in den Hauptbalken der Viviace getrieben worden war. Hier wurden die durchlaufenden Ketten gesichert. Die salzige Luft und die schweißdurchtränkte Feuchtigkeit der Sklaven hatte dem Schloss nicht gut getan, mit dem die Kette an der Krampe befestigt war. Gantry musste eine Weile damit kämpfen, bevor sich der Schlüssel drehte. Er zog an dem Schloss, bis es aufging.
Die Kette fiel auf das schmutzige Deck. »Hake ihn von den anderen los!«, befahl er Wintrow barsch. »Dann sichere sie wieder und bring ihn an Deck. Und beeil dich. Es gefällt mir nicht, wie die Viviace diese Wellen nimmt.«
Wintrow erriet, dass Gantry die verschmutzte Kette nicht anfassen wollte, die durch die Ringe an den Fußfesseln der Sklaven lief. Doch menschliche Exkremente und Blut konnten Wintrow nicht mehr erschüttern. Er kroch mit der Laterne in der Hand die Reihe der Sklaven entlang und zog die klappernde Kette durch jeden Ring, bis er den Sterbenden erreichte. Er befreite ihn.
»Einen Moment noch, bevor du ihn mitnimmst«, bat der versklavte Priester. Er beugte sich vor und berührte die Stirn seines Freundes. »Sa segne dich, du sein Instrument. Ruhe in Frieden.«
Schnell wie eine Schlange riss Sa’Adar Wintrow die Laterne aus der Hand und schleuderte sie auf den Maat. Er hatte ungeheure Kräfte und zielte hervorragend. Wintrow sah, wie Gantrys Augen sich vor Entsetzen weiteten, als ihn auch schon die schwere Laterne an der Stirn traf. Das Glas brach, und Gantry sank mit einem Stöhnen zu Boden. Die Laterne landete neben ihm und rollte mit den Bewegungen des Schiffes weiter. Öl lief aus dem Rissaus, was sehr gefährlich war, denn die Flamme war nicht erloschen.
»Hol die Laterne!«, fuhr der Sklave Wintrow an, während er ihm die Kette entriss. »Schnell, bevor ein Feuer ausbricht!«
Wintrow wusste, dass es das Wichtigste war, ein Feuer zu verhindern. Aber noch während er vorwärts krabbelte, merkte er, wie sich die Sklaven um ihn herum rührten. Er hörte das Klappern von Metall, als die Kette hinter ihm durch einen Ring nach dem anderen gezogen wurde. Er schnappte sich die Laterne, richtete sie auf und hob sie von dem vergossenen Öl weg. Er schrie auf, als er mit dem Fuß auf eine Scherbe trat. Doch dieser Schmerzensschrei verwandelte sich in einen Schrei des Entsetzens, als er sah, wie ein Sklave seine Hände um den Hals des bewusstlosen Gantry legte.
»Nein!«, rief Wintrow. Im selben Moment hämmerte der Sklave den Schädel des Maats mit voller Wucht auf die eiserne Krampe, die eben noch die Kette gesichert hatte. Etwas an der Art, wie Gantrys Kopf zurückprallte, sagte Wintrow, dass es zu spät war. Der Maat war tot, und die Sklaven befreiten sich so schnell von der Kette, wie sie sie nur durch ihre Fußfesseln ziehen konnten. »Gute Arbeit, Junge«, gratulierte ihm einer der Sklaven, als Wintrow auf den Leichnam des Maats blickte. Er sah, wie eben dieser Sklave einen Schlüssel vom Gürtel des Maats abhakte. Es ging alles so schnell, und er war ein Teil dieser Geschehnisse, und dennoch konnte er nicht sagen, auf welche Art er dazu gehörte. Er wollte keinen Anteil an Gantrys Tod haben.
»Er war kein schlechter Mann«, rief er. »Ihr hättet ihn nicht umbringen sollen!«
»Schweig!«, befahl ihm Sa’Adar scharf. »Du wirst die anderen noch alarmieren, bevor wir bereit sind.«
Er warf Gantrys Leichnam einen flüchtigen Blick zu. »Du kannst nicht behaupten, dass er ein guter Mann war, weil er wusste, was auf diesem Schiff vor sich ging. Grausame Dinge müssen getan werden, um grausamere ungeschehen zu machen«, sagte er ruhig. Diesen Spruch von Sa hatte Wintrow noch nie gehört.
Der Priester sah ihn an. »Denk darüber nach«, bat er ihn.
»Hättest du die Ketten wieder befestigt, die uns gehalten haben? Du, der du doch selbst eine Tätowierung auf deinem Gesicht trägst?«
Er wartete nicht einmal eine Antwort ab. Wintrow fühlte sich schuldbewusst, weil ihn das erleichterte, denn er wusste
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