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Zauberschiffe 02 - Viviaces Erwachen

Titel: Zauberschiffe 02 - Viviaces Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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verlieh ihr Kraft, und als sein Stumpf gegen eine Sprosse schlug und die Schmerzen ihn beinahe betäubten, entschuldigte sie sich nicht einmal. Oben angelangt zog sie ihn an den Armen hinauf, als wäre er ein Laken, bis sie ihn über ihre Schultern gelegt hatte. Dann stand sie langsam auf und schleppte ihn zum Steuerrad. Sorcor schüttelte sich das Wasser aus dem Gesicht und starrte seinen Kapitän ungläubig an.
    »Ich übernehme das Ruder. Unser Zauberschiff hat Schwierigkeiten. Mach eine Entermannschaft fertig. Genauso viele Seeleute wie Kämpfer. Wir müssen sie schnell übernehmen, bevor sie zu weit in den Hawser-Kanal hineingerät.«
    Weiter vorn sahen sie erneut das Zauberschiff, das auf einer Woge ritt. Jetzt segelte sie wie ein verlassenes Wrack, und der Wind und die Wellen trieben sie scheinbar willenlos vor sich her.
    Durch eine Windbö hörten sie ihre verzweifelten Schreie, als sie wieder in ein Wellental hinabtauchte.
    Sie segelte westlich um Krummes Eiland herum.
    Sorcor schüttelte den Kopf. Er musste schreien, um sich bei dem Sturm verständlich zu machen. »Wir können sie nicht einholen. Und selbst wenn wir Leute übrig hätten, könnten wir sie in dem Sturm nicht entern. Gebt sie auf, Sir! Es wird noch ein anderes kommen. Überlasst sie ihrem Schicksal.«
    »Ich bin ihr Schicksal!«, brüllte Kennit. Er war ungeheuer wütend. Die ganze Welt und jedes Lebewesen darauf schienen ihm bei seiner Verfolgung in die Quere kommen zu wollen. »Ich übernehme das Ruder! Ich kenne diesen Kanal, und ich habe uns schon früher hindurchmanövriert. Du setzt mit der Mannschaft zusätzliche Segel, damit wir sie einholen. Wir überholen sie und versuchen, sie auf die Sandbank zu setzen.
    Erst wenn das nicht funktioniert, gebe ich sie auf!«
    Sie hörten erneut, wie sie schrie, ein langgezogener Schrei der Verzweiflung, durchdringend in seiner Unheimlichkeit. Das Geräusch schien lange in der Luft zu schweben. »Ach!«, rief Etta und erschauderte, als es endlich aufhörte. »Jemand muss sie retten!«
    Die Worte klangen fast wie ein Gebet. Sie blickte von einem Mann zum anderen. »Ich bin stark genug, um das Ruder zu halten«, verkündete sie. »Wenn Kennit hinter mir steht und meine Hände führt, können wir die Marietta auf Kurs halten.«
    »Gut«, erwiderte Sorcor. Kennit begriff sofort, dass dies die ganze Zeit sein eigentlicher Widerspruch gewesen war. Er glaubte offensichtlich nicht, dass Kennit auf einem Bein stehen und gleichzeitig das Steuerrad der Marietta bedienen konnte.
    Mürrisch musste er zugeben, dass Sorcor Recht hatte.
    »Genau«, meinte er, als wäre Ettas Vorschlag sowieso seine Absicht gewesen. Sorcor machte ihnen Platz. Es war eine umständliche Prozedur, aber schließlich hatte Etta beide Hände am Ruder. Kennit stand hinter ihr. Er legte eine Hand auf das Ruder, um ihr zu helfen, und umklammerte sie mit der anderen Hand, um das Gleichgewicht zu halten. Er spürte, wie verkrampft sie war, aber er nahm auch ihre Erregung wahr. Einen Moment kam es ihm vor, als umarmte er das Schiff selbst, indem er Etta umarmte.
    »Sag mir, was ich tun soll!«, rief sie über die Schulter.
    »Halt sie einfach gerade!«, erwiderte er. »Ich sage dir, wenn du etwas anderes tun musst.«
    Mit den Blicken folgte er dem Zauberschiff, das vor dem Wind zu fliegen schien.
    Er hielt sie fest an sich gepresst. Sein Gewicht an ihrem Rücken war keine Last, sondern eher ein Schutz gegen Wind und Regen.
    Mit dem rechten Arm umklammerte er sie, und mit der Hand hielt er ihre linke Schulter fest. Trotzdem hatte sie Angst.
    Warum hatte sie bloß gesagt, dass sie das schaffen konnte?
    Etta umklammerte die Speichen des Rades so fest, dass ihr die Knöchel weh taten. Und sie verkrampfte die Arme, damit sie jede plötzliche Bewegung des Schiffes sofort unterbinden konnte.
    Um sie herum war nur Dunkelheit, peitschender Regen und Wind und Wellen. Vor sich sah sie plötzlich die weiße Gischt, wo die Wogen gegen muschelübersäte Felsen brandeten. Sie wusste nicht, was sie tat. Vielleicht steuerte sie das Schiff direkt gegen einen Felsen. Sie konnte sie alle umbringen, alle Männer an Bord.
    Plötzlich hörte sie Kennits Stimme an ihrem linken Ohr. Trotz des Sturms schrie er nicht. Im Gegenteil, seine Worte klangen kaum lauter als ein Flüstern. »Es ist wirklich ganz leicht. Heb den Kopf und sieh nach vorn. Jetzt spür das Schiff durch das Steuerrad. So. Lockere deinen Griff. Du kannst nicht reagieren, wenn du das Holz so fest

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