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Zauberschiffe 02 - Viviaces Erwachen

Titel: Zauberschiffe 02 - Viviaces Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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umklammerst. Siehst du? Jetzt kannst du sie fühlen. Sie spricht zu dir, stimmt’s? Wer ist das? fragt sie sich. Wer berührt mich da so neu und leicht an meinem Ruder?
    Also halte sie ruhig und beruhige sie. Na, na, bring sie ein bisschen herüber, nicht zuviel, und halt sie auf Kurs.«
    Es war die Stimme Kennits, des Liebhabers, leise und atemlos, warm und ermutigend. Etta hatte sich ihm noch nie so nah gefühlt wie jetzt, als sie seine Liebe zu seinem Schiff teilte, das er durch den Sturm führte.
    »Warum kann es nicht immer so sein?«, fragte sie ihn nach einer Weile.
    Er tat, als wäre er von ihrer Frage überrascht. »Was?«, fragte er laut. »Du ziehst den Sturm, der uns gegen die Verdammten Felsen zu fegen droht, dem Segeln in friedlicheren Gewässern vor?«
    Sie lachte laut, aufgehoben in seiner Umarmung, dem Sturm und dem neuen Leben, in das er sie einfach geworfen hatte. »Kennit, du bist der Sturm«, erklärte sie. Und leiser, fast wie zu sich selbst, fügte sie hinzu: »Und ich mag mich am liebsten, wenn ich vor deinem Wind dahinfliege.«

18. Der Tag der Abrechnung

    Es gab einige Religionen, die von Orten kündeten, an denen Dämonen herrschten, die die Macht hatten, die Menschen endlos zu foltern. Das wusste Wintrow. Und das Schiff schien eine solche Unterwelt zu sein. Sie war zwischen Sturm und wogender See gefangen und bevölkert von Zweibeinern, die kreischten und miteinander rangen. In den Schriften von Sa fand sich kein solcher Ort. Wintrow glaubte, dass sich die Menschen ihre Qualen selbst bereiteten. In dieser Nacht auf dem Schiff hatte er die Wahrheit von Sas Lehren in ihrer ganzen Tiefe begriffen.
    Denn hier waren sie nun, allesamt Geschöpfe des Sa. Dennoch war es nicht das Heulen des Windes oder der peitschende Regen, der in dem Schiff wütete, Blut vergoss und Leben vernichtete.
    Nein. Nur die Menschen auf dem Schiff taten das, und sie taten es sich gegenseitig an. Das war nicht Sas Werk. Nichts von dieser Verderbtheit kam von Sa.
    Von dem Augenblick an, da Sa’Adar Gantry die Laterne an den Kopf geworfen hatte, war Wintrow die Angelegenheit aus der Hand genommen worden. Er hatte dieses Gemetzel nicht begonnen, dieses Abschlachten war nicht sein Werk. Er konnte sich nicht einmal daran erinnern, eine Entscheidung getroffen zu haben, sondern nur daran, dass er Sa’Adar gefolgt war und ihm geholfen hatte, Ketten zu lösen. Und das war richtig. Aber war es auch richtiger, als zu versuchen, seinen Vater und die Mannschaft zu warnen? Diese Frage sollte er nicht stellen, sie existierte nicht einmal. Diese Toten gingen nicht auf sein Konto.
    Wintrow hämmerte sich das immer wieder ein. Es war nicht seine Schuld. Was konnte ein Junge tun, um diese Raserei aus Hass zu unterbinden, nachdem sie erst einmal ausgebrochen war? Er war nur ein Blatt, das in einem Sturm gefangen war.
    Ob Gantry sich wohl auch so gefühlt hatte?
    Er und Sa’Adar hatten die Kartenvisagen befreit, die in dem untersten Frachtraum der Viviace gefangen gehalten wurden, als sie die Schreie von oben gehört hatten. In ihrer Hast, sich den Aufständischen anzuschließen, hätten die Sklaven ihn beinahe totgetrampelt. Sa’Adar war mit seiner Laterne vorausgestürmt.
    Wintrow war in dem stockfinsteren Laderaum zurückgeblieben, verängstigt und desorientiert. Jetzt suchte er sich den Weg durch die schmutzigen Laderäume und kletterte über die Körper von Sklaven, die entweder zu schwach waren, um mitzukämpfen, oder der Rebellion aus Angst fernblieben. Andere rannten verwirrt umher, schrien sich an und wollten wissen, was vorging. Er drängte sich zwischen ihnen hindurch, aber er konnte trotzdem den Aufgang zum Deck nicht finden.
    Eigentlich kannte er jeden Zentimeter des Schiffes, das glaubte er jedenfalls. Doch plötzlich war die Viviace ein schwarzes Labyrinth aus Tod und nach Angst stinkenden Menschen geworden. Auf dem Deck über sich hörte er Fußgetrampel und Schreie der Wut und der Angst. Und Todesschreie.
    Dann jedoch machte er einen anderen Schrei aus, einen, der in dem Laderaum widerhallte und entsetzliche Schreie bei dem angeketteten Sklaven auslöste. »Viviace«, murmelte er.
    »Viviace!«, schrie er dann laut und hoffte, dass sie ihn hören konnte und wusste, dass er zu ihr unterwegs war. Seine tastenden Hände fanden plötzlich die Leiter und er stürmte hinauf.
    Als er auf das regengepeitschte Deck hinaustrat, stolperte er über den Leichnam eines Matrosen. Es war Mild. Er klemmte in einer Luke. In der

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