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Zauberschiffe 02 - Viviaces Erwachen

Titel: Zauberschiffe 02 - Viviaces Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Hexenholz wurde sein eigenes, erweitertes Selbst.
    Das Steuerrad war für einen erwachsenen und kräftigen Steuermann erbaut worden. Wintrow hatte zugesehen, wie das Schiff gelenkt wurde, hatte wohl auch einige Male bei ruhiger See das Steuer übernommen. Doch nie in einem Orkan wie diesem hier und niemals ohne einen Mann an seiner Schulter, der ihn unterwies und das Steuer festhielt, wenn es aussah, als würde es ihm aus der Hand gleiten.
    Wintrow legte sein ganzes Körpergewicht in die Bewegung und drehte es. Er empfand jeden einzelnen Strich, den er schaffte, wie einen kleinen Sieg, aber er fragte sich, ob das Schiff noch rechtzeitig auf diese Korrektur antworten konnte. Dennoch, ihm schien es, als würde sie die nächste Welle frontal treffen, als durchschnitten sie sie, statt von ihr seitlich getroffen und weggedrückt zu werden. Er blinzelte durch den peitschenden Regen, aber er sah nichts als Schwärze. Bei all der Dunkelheit um ihn herum hätten sie auch gut mitten im Wilden Meer sein können. Plötzlich kam es ihm lächerlich vor, dass er und das Schiff ganz allein darum ringen sollten, sie alle zu retten. Alle anderen an Bord waren zu sehr damit beschäftigt, sich gegenseitig umzubringen.
    »Du musst mir helfen«, sagte er ruhig. Er sprach die Worte aus, obwohl er wusste, dass sie sie auch spürte. »Du musst unser Ausguck sein, sowohl für die Wellen als auch für die Felsen. Und sag mir, was du weißt.«
    Er hörte, wie sich die Männer im Mittschiff anschrien.
    Einige der Stimmen klangen erstickt, und er vermutete, dass die Sklaven mit der gefangenen Mannschaft verhandelten.
    Aufgrund der Wut in ihren Stimmen bezweifelte er allerdings, dass sie sich rechtzeitig einigen konnten, um das Schiff zu retten. Vergiss sie, dachte er. »Wir beide sind allein, meine Lady«, sagte er. »Du und ich. Versuchen wir, am Leben zu bleiben.«
    Er umfasste das Steuer fester.
    Wintrow wusste nicht, ob er ihre Antwort fühlte oder ob seine eigene Entschlossenheit ihm neue Kräfte verlieh. Er stand da und trotzte dem Regen und der Dunkelheit, die ihn beide zu blenden suchten. Er hörte nicht, ob Viviace wieder schrie, aber er schien allmählich ein Gefühl für das Schiff zu bekommen. Die Segel arbeiteten zwar gegen ihn, aber daran konnte er nichts ändern. Plötzlich veränderte sich der Regen, er wurde zwar stärker, peitschte aber nicht mehr so. Doch obwohl der Sturm nachließ und der erste Silberstreif des Morgengrauens am Horizont auftauchte, schien das Ruder unter seinen Händen steifer und schwerer zu werden. »Die Strömung hat uns erfasst!«
    Er hörte den Schrei von Viviace. »Vor uns sind Felsen. Ich kenne diesen Kanal noch von früher! Wir hätten nicht hier herum fahren dürfen! Ich kann ihnen nicht allein ausweichen!«
    Er hörte das Klirren von Ketten, und dann fiel ein schwerer Körper auf das Deck. Wintrow sah eine Gruppe von Männern auf ihn zukommen. In ihrer Mitte schoben sie einige Gefesselte vor sich her. Als sie Wintrow erreichten, gab jemand dem ersten einen starken Stoß. Er fiel auf dem nassen Deck auf die Knie.
    Sa’Adars Stimme war deutlich zu hören. »Er behauptet, er könnte steuern und würde das auch tun, wenn wir ihn am Leben lassen.«
    Ruhiger fuhr er fort: »Er behauptet auch, wir könnten nicht ohne ihn an diesen Felsen vorbeikommen. Allein er würde diesen Kanal kennen!«
    Als sich der Mann aufrappelte, erkannte Wintrow Torg. Aber im Dunkeln sah er kaum die Gesichtszüge des Mannes. Sein Hemd war aufgerissen, und der helle Stoff flatterte im Wind.
    »Du!«, stieß Torg hervor. Dann lachte er ungläubig. »Du hast uns das eingebrockt? Du?«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich glaube es nicht. Du bist genauso hinterlistig, wie es dir an Mut mangelt. Du stehst hier und hältst das Steuer, als gehöre sie dir, aber ich glaube nicht, dass du sie übernommen hast.«
    Trotz seiner Ketten und den böse knurrenden Kartenvisagen um ihn herum spie er aus. »Du hattest nicht den Mut, sie zu übernehmen, als sie dir auf einem Silbertablett serviert wurde.«
    Die Worte brachen aus ihm heraus, als wäre ein Damm in ihm gebrochen.
    »O ja, ich kenne die Vereinbarung deines Vaters mit dir. Ich habe gehört, was er an diesem Tag zu dir gesagt hat. Dein Vater wollte dir die Position des Ersten Maats an deinem fünfzehnten Geburtstag geben. Ungeachtet dessen, dass ich die letzten sieben Jahre wie ein Hund für ihn geschuftet habe. Vergiss den alten Torg. Gib Gantry das Kapitänspatent und die Position des

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